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To Bangkok Conference programme

65th IFLA Council and General
Conference

Bangkok, Thailand,
August 20 - August 28, 1999


Code Number: 069-101-G
Division Number: I
Professional Group: Library and Research Services for Parliaments
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 101
Simultaneous Interpretation:   No

Entwicklung eines parlamentarischen Forschungsdienstes
Die ägyptische Erfahrung

Wafaa Ali Abdel Elah
Research Service
People's Assembly of Egypt
Cairo, Egypt


Abstract

Es gibt einen allgemeinen Konsens darüber, daß die gesetzgebende Gewalt für eine effektive Durchführung ihrer Aufgabe einen Forschungsdienst benötigt, der die Informationen und Analysen liefert, die notwendig sind, um informierte Entscheidungen zu finden. Der Aufbau eines parlamentarischen Forschungsdienstes wirft jedoch kritische Fragen in Bezug auf Organisationsmuster, Arbeitsstil, Dienste und Produkte auf.

Obwohl die Forschungseinheiten verschiedener Parlamente eine Reihe erfolgreicher Modelle zur Auswahl bieten, werden doch die Kenntnis des eigenen Umfeldes und das Eingehen auf dessen Bedürfnisse und Charakteristiken immer die Schlüsselelemente für das Finden der richtigen Antworten auf die vorhergehenden Fragen bleiben. In diesem Zusammenhang könnte die ägyptische Erfahrung bei der Entwicklung einer parlamentarischen Forschungseinheit von Interesse und Wert sein für andere Parlamente, die ebenfalls den Aufbau eines Forschungsdienstes erwägen.


Paper

Einleitung und Übersicht zum Papier

Seit Mitte der siebziger Jahre hat die ägyptische Gesellschaft eine allmähliche aber bedeutende Umformung sowohl auf wirtschaftlichem wie auf politischen Gebiet erfahren. Beginnend mit der Politik der offenen Tür begann sich die ägyptische Wirtschaft von der Planwirtschaft zu einer privatgeführten Wirtschaft zu entwickeln. Die Schritte in diese Richtung wurden in den späten achtziger Jahren beschleunigt, und 1991 begann Ägypten mit einem umfangreichen Programm für wirtschaftliche Reformen und strukturelle Anpassung, dessen Herzstück Liberalisierung und Privatisierung waren. Diese Entwicklungen waren gepaart mit bedeutenden Fortschritten im Demokratisierungsprozeß, an dessen vorderster Linie die Wiedereinführung der Parteipolitik zum ersten Mal seit 1952 stand. Der Demokratisierungsprozeß brachte auch eine größere Meinungs- und Pressefreiheit mit sich, eine weniger straffe Kontrolle der Aktivitäten ziviler Einrichtungen und mehr Transparenz des Regierungsgeschehens.

Die Interaktion zwischen diesen wirtschaftlichen und politischen Faktoren schufen in Ägypten ein neues soziales und kulturelles Umfeld. Dieses Umfeld förderte den Demokratisierungsprozeß in einem günstigen internationalen Klima, da man in vielen Teilen der Welt Demokratien entstehen sah.

Der erste Teil dieses Papiers untersucht die Auswirkung dieser Entwicklungen auf das ägyptische Parlament (die Volksversammlung). Der zweite Teil untersucht, wie mit der Einrichtung eines parlamentarischen Forschungsdienstes auf die Bedürfnisse und Charakteristiken des ägyptischen Umfeldes reagiert wurde, um die Entscheidungsfähigkeit der Legislative verbessern zu können. Der dritte Teil des Papiers erklärt, wie diese neue Einheit ihre Arbeit aufnahm und beschreibt einige ihrer ersten Anstrengungen. Der vierte Teil wirft ein Licht auf die Dienste und Produkte, die dieser Forschungsdienst bereitstellt. Der letzte Teil diskutiert gegenwärtige Anforderungen und zukünftige Aussichten.

Die Auswirkungen des neuen Umfeldes auf das ägyptische Parlament

Der Umstrukturierung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte der ägyptischen Gesellschaft betrafen das Parlament in vieler Hinsicht direkt:

  • Die Oppositionsparteien erhielten ab der Wahl von 1979 gemeinsam mit einer Anzahl Unabhängiger Sitze in der Volksvertretung (People's Assembly - PA). In Konsequenz - und trotz einer überwältigenden Mehrheit der regierenden Partei - wurden Parlamentsdebatten energischer und lebhafter und spiegelten verschiedene Standpunkte wider, nicht nur die, welche das Regime unterstützten, so wie es unter dem Einparteiensystem der Fall war. Darüber hinaus versuchte die Opposition seine geringe zahlenmäßige Stärke durch den Gebrauch einer starken Rhetorik zu kompensieren, wobei sie in den meisten Fällen von einer guten Analyse der jeweiligen Angelegenheit abhängig war.
  • Die Mehrheitspartei zeigte eine wachsende Toleranz gegenüber alternativen Standpunkten, die von ihren eigenen Mitgliedern im Parlament geäußert wurden, ohne deren Haltung als die Parteilinie oder -disziplin verletzend zu betrachten.
  • Die öffentliche Meinung verlangte nach mehr Wissen und Information über das Parlament. Dies ließ eine neue Auffassung der Rolle der Legislative bei der Führung der Nation erkennen, besonders in Bezug auf die Kontrolle über die Regierung, zusammen mit der Formulierung von Gesetzen und Verfahren, die einen effektiven wirtschaftlichen Umbau garantierte, dessen negative Auswirkungen möglichst gering hielt und sozialen Wohlstand sicherte.
  • Die Medien zeigten ein nie dagewesenes Interesse an den Beratungen im Parlament und den Auftritten seiner Mitglieder. Das Fernsehen begann mit der Übertragung von Parlamentssitzungen, während die nationale und die oppositionelle Presse ganze Seiten füllte, um die Leute darüber zu informieren, was im Parlament vorging.

Entwicklung eines Forschungsdienstes im ägyptischen Parlament

Diese Veränderungen im Parlament wurden zu Ende der achtziger Jahre profunder und deutlicher. Mit der Umstrukturierung des Generalsekretariats der Volksversammlung (PA) in Folge des Antritts eines neuen und energischen Generalsekretärs im Jahr 1989 schien die Zeit reif zu sein, eine neue Einheit einzurichten, die solche Veränderungen bewältigen konnte.

Das Hauptziel der neuen Einheit war es, sachliche Studien und ausgewogene Analysen bereitzustellen, die nicht nur die unterschiedlichen Themen, die im Parlament diskutiert wurden, behandeln, sondern auch wichtige Bereiche und Entwicklungen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene. Eine weitere Aufgabe des neuen Forschungsdienstes war es, das institutionelle Gedächtnis der Volksversammlung zu werden. Hier war in der Tat auf die dringende Notwendigkeit reagiert worden, einen einfachen und gegliederten Zugang sicherzustellen, um jedem Thema nachzugehen, das von der Volksversammlung in den vergangenen Jahren behandelt worden war, und eine kurze Übersicht über Verhandlungen, Debatten und abschließende Entscheidungen zu jedem Punkt bereitzustellen.

Was den Standort des Forschungsdienstes betrifft, so stand von Anfang an fest, daß er weder in der Bibliothek untergebracht noch ein Teil von ihr sein sollte. Der Grund für diese Entscheidung war die eindeutige Definition des Wortes "Forschung" in der ägyptischen Sprache und Kultur und somit eine klare Unterscheidung zwischen der Arbeit eines Bibliothekars und der eines Forschers. Dies ist wahrscheinlich der Grund, weshalb man kaum eine Einrichtung in Ägypten finden kann, wo die Forschungseinheit Teil der Bibliothek ist. Außerdem wurde argumentiert, daß die Unterbringung der neuen Einheit in der alteingesessenen und komplizierten Hierarchie der Bibliothek die gewünschte Unabhängigkeit der Forschungseinheit behindern und Enthusiasmus und Kreativität ihres Personals unterminieren könnte. Andererseits schien es angesichts der notwendigen Kooperation und Koordination zwischen Bibliothek und Forschungsdienst angebracht, daß beide Einrichtungen Teil eines breiteren Organisationsgefüges sein sollten, eine der vier Hauptabteilungen des Generalsekretariats der Volksversammlung. Diese Situation änderte sich Anfang 1998, als sowohl die Bibliothek als auch der Forschungsdienst direkt dem Generalsekretär unterstellt wurden.

Die dritte Frage, die in Angriff genommen werden mußte, war die Entscheidung, ob die Verantwortung für Forschung und Analyse ausschließlich von der neuen Einheit getragen werden sollte. Eine sorgfältige Untersuchung der Organisationsstruktur der Volksversammlung im Jahre 1989 brachte zu Tage, daß jedes der 18 ständigen Komitees zwischen 15 und 20 Wissenschaftler unter ihrem Personal hatte. Diese Wissenschaftler widmeten den Großteil ihrer Anstrengungen der Erstellung von Komiteeberichten, die auf den Diskussionen basierte, welche bei den Komiteesitzungen geführt worden waren, und der Untersuchung einiger spezifischer Punkte, die für diese Berichte relevant waren. Außerdem gab es die Abteilung für Parlamentarische Konferenzen, die während der Umstrukturierung des Generalsekretariats in Anbetracht der stark angewachsenen Aktivitäten auf dem Gebiet der parlamentarischen Diplomatie sorgfältig bedacht wurde. Als Konsequenz wurde entschieden, diese Abteilung mit einer Gruppe von Wissenschaftlern auszustatten, deren Aufgabe es ausschließlich sein würde, Studien und Papiere zu erstellen, die für die Teilnahme an verschiedenen parlamentarischen Foren und für den Austausch parlamentarischer Besuche notwendig sind. In dieser Situation schien es angebracht, eine Kombination aus zentralisiertem und verteiltem Forschungsdienst zu wählen. Dies bedeutete, daß das Komiteepersonal weiterhin spezifische Punkte untersuchen würde, während der neue Forschungsdienst das bereitstellen würde, was bisher noch fehlte, insbesondere Hintergrundinformationen und vergleichende Studien. Was die Abteilung für Parlamentarische Konferenzen betraf, so sollte der Forschungsdienst wann immer nötig Hilfe stellen.

In puncto Größe der neuen Einheit und Fähigkeiten ihres Personals begann sie mit sechs Wissenschaftlern, die auf Recht, Wirtschaft und politische Wissenschaften spezialisiert waren. Mittlerweile hat die Einheit 36 Wissenschaftler, hauptsächlich aus den drei genannten Gebieten plus einigen anderen, wie Landwirtschaft, Geschichte und Soziologie.

Arbeitsweise

Neben der Beobachtung wichtiger Entwicklungen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene und der Bearbeitung von entsprechenden Kurzdarstellungen mußte ein weiterer wichtiger Punkt geklärt werden, und zwar, wie der Forschungsdienst arbeiten würde. Ich habe erwähnt, daß die neue Einheit kein Teil der Bibliothek war, und daß die Bibliothekare nicht zu ihrem Personal gehörten. Daher gehörte die Bearbeitung von Anfragen, zu Daten oder grundlegenden Informationen, die Auskunftsarbeit erfordern - und die einen hohen Prozentsatz der Anfragen bilden, die auch an viele andere parlamentarische Forschungseinheiten gerichtet werden, nicht zum Aufgabengebiet der Einheit.

Bei Anfragen nach Analysen und tiefergehenden Untersuchungen war wiederum die Kenntnis des eigenen Umfeldes ein bestimmender Faktor. Angesichts des schwierigen Erbes eines langjährigen Einparteiensystems, des Bildungsstands und der politischen Kultur einer großen Zahl der Parlamentsmitglieder erkannten wir, daß viel Arbeit zu leisten war, um überhaupt einen Bedarf für unsere Dienste und Produkte zu schaffen. Mit anderen Worten, wir mußten erst eine Nachfrage nach Informationen und das Wissen um ihre Bedeutung schaffen. Also beschlossen wir als Strategie, unsere Produkte anzubieten statt auf Anfragen zu warten.

Es mag hier von Interesse sein, einige unserer frühen Bemühungen zu erwähnen. Wir dachten, daß es am besten wäre, unsere Aktivitäten mit einer Dienstleistung zu beginnen, die dem Parlament wirklich fehlte, und damit einen starken Eindruck zu machen. Das Adhoc-Komitee für die Antwort auf die Regierungserklärung schien ein passendes Ziel zu sein. Dieses Komitee, dem der stellvertretende Sprecher vorsteht, wird für jede Sitzungsperiode gebildet, nachdem der Premierminister seine Erklärung abgegeben hat und besteht aus einer großen Zahl von Parlamentsmitgliedern (bei der letzten Sitzung z.B. 45) aus allen Parteien der Volksversammlung, einschließlich der Parteilosen. Da es ein adhoc-Komitee ist, hat es keinen festen Mitarbeiterstamm; aber um seine Aufgabe effektiv zu erfüllen, muß es mit einer Reihe von Papieren mit politischen Analysen und Bewertungen versorgt werden, im Durchschnitt ca. 40 Papiere. 1991 - als wir nur 8 Wissenschaftler hatten - stellten wir diesem Komitee sechs Papiere zu verschiedenen Themen zur Verfügung. Das reichte aus, um den Komiteemitgliedern zu verdeutlichen, daß ihr derzeitiger Wissensstand nicht ausreichte, um die übrigen Themen zu behandeln. Daher wurden wir 1992 gebeten, das Komitee mit so vielen Unterlagen wie möglich zu versorgen. Der Forschungsdienst erstellte in jenem Jahr 18 politische Papiere; und als das Komitee seinen Bericht zu Ende brachte, wurden wir vom Parlamentssprecher gebeten, einen vergleichende Studie zwischen dem Bericht und der Regierungserklärung zu erstellen. Seit 1993 versorgt der Forschungsdienst das Adhoc-Komitee nun zu jeder Sitzung mit allen gewünschten politischen Analysen und erstellt die oben genannte Vergleichsstudie.

Eine weitere Unternehmung ist erwähnenswert. Das Parlament debattiert zu jeder Sitzungsperiode über die Regierungserklärung; dies ist das wichtigste parlamentarische Ereignis, da eine enorme Zahl von Parlamentsmitgliedern (z.B. 287 von 454 bei der letzten Sitzung) das Wort ergreifen, um ihre Ansichten und Forderungen zu verschiedenen politischen Angelegenheiten zu äußern. Diese Debatten setzen sich auch über eine lange Periode hinweg fort und umfassen mehr als 25 Sitzungen voller Interventionen und Stellungnahmen von Regierungsvertretern. Wir dachten, daß wir diese wertvolle Gelegenheit nicht verpassen sollten, um eines der Produkte des Forschungsdienstes anzubieten. Daher veröffentlichten wir am Ende der Debatten von 1992 auf der Basis genauer Beobachtung dieser Diskussionen und inhaltlicher Analyse von dem, was dort gesagt wurde, eine kurze analytische Studie, bevor der Premierminister seine abschließende Stellungnahme gab. Diese Studie umfaßte die Hauptgesichtspunkte zu den verschiedenen Themen, Zustimmung und Widersprüche unter den verschiedenen Parteien, Stellungnahmen und Versprechungen der Regierungsvertreter, und neue Themen, die ans Licht gebracht wurden und weder in der Regierungserklärung noch im Komiteebericht enthalten waren. Diese Studie enthielt auch quantitative Analysen zur relativen Gewichtung des jeweiligen Themas und des Anteils lokaler Forderungen gegenüber nationalen (ein kontroverses Thema in der ägyptischen Gesellschaft). Die Studie hatte eine weitreichende Wirkung und wurde ein regelmäßiges Produkt des Forschungsdienstes. Sie wird nun auch dem Premierminister zugestellt, bevor er seine abschließende Stellungnahme zu den Debatten jeder Sitzungsperiode gibt, und sie ist ein grundlegendes Dokument für die Vorbereitung der politischen Papiere für das Adhoc-Komitee der nächsten Sitzungsperiode.

Dienstleistungen und Produkte

Der Forschungsdienst des ägyptischen Parlaments bietet eine breite Produktpalette. Wie erwähnt, erstellt er politische Papiere, Hintergrundpapiere und Kurzberichte. Er veröffentlicht auch Faktenblätter und führt, wenn nötig, grundlegende Untersuchung durch. Ein großer Teil der Arbeit ist vergleichenden Studien gewidmet. Von besonderem Interesse sind Vergleiche zwischen den parlamentarischen Prozeduren der verschiedenen Parlamente weltweit. Diese Art von Studie verbessert nicht nur die politische und parlamentarische Kultur der Parlamentsmitglieder, sondern füllt auch eine beträchtliche Lücke auf diesem Gebiet innerhalb der arabischen Literatur.

Ein weiteres Produkt, mit dem andere Forschungsdiensten vielleicht nicht vertraut sind, ist der dokumentarische und analytische Bericht über die Parlamentsarbeit, der für jede Sitzungs- und Legislaturperiode erstellt wird. Dieser Bericht verfolgt jedes Thema, das im Parlament diskutiert wurde, zurück und gibt eine kurze Übersicht der Debatten und Prozeduren. Wenn man zum Beispiel einen bestimmten Gesetzentwurf zurückverfolgt, wird der Bericht Folgendes umfassen: das Ziel des Gesetzentwurfes, das Datum seiner Überweisung an das entsprechende ständige Komitee, Hauptpunkte des Komiteeberichts, Abänderungen, die vom Komitee eingebracht wurden, Datum der Vorlage des Berichts in der Plenarsitzung, Anzahl der Parlamentsmitglieder, die sich an der Debatte beteiligten, Hauptpunkte, die von den verschiedenen Parteien erhoben wurden, Abänderungen, die vom Haus genehmigt wurden, Stellungnahme der Regierung, endgültiger Beschluß des Hauses, und jegliche spezielle Prozedur, die verfolgt wurde. Der Bericht enthält auch quantitative Analysen - eine statistische und graphische Zusammenfassung, die den Umfang des parlamentarischen Arbeitspensums zeigt.

Der Forschungsdienst veröffentlicht verschiedene Hefte und Broschüren, die auf die Unterrichtung der Öffentlichkeit über das Parlament, seine Struktur, Funktion und Geschichte zielen. Außerdem beantwortet er Anfragen von einheimischen und ausländischen Organisationen zu diesen Bereichen.

Gegenwärtige Herausforderungen und zukünftige Aussichten

Die Zufriedenheit über das bisher Erreichte verschleiert nicht die Tatsache, daß es ernsthafte Schwierigkeiten und Herausforderungen gibt, denen man sich noch stellen muß. Geeignetes Personals zu finden ist eine besondere Schwierigkeit. Neben dem Problem, das auch anderen parlamentarischen Forschungsdiensten vertraut ist, nämlich einen qualifizierten Wissenschaftler zu finden, der fähig ist, solche Untersuchungen durchzuführen, die die Gesetzgebung braucht, haben wir auch Probleme, die spezifisch für unsere Volksversammlung sind.

Als der Forschungsdienst eingerichtet wurde, hatte die Volksversammlung bereits übermäßig viel Personal in ihren 18 ständigen Komitees. Daher wurde nur eine begrenzte Anzahl neuer Angestellter eingestellt. Wir dachten, daß wir einige unserer Mitarbeiter aus dem Bereich de Komitee-Wissenschaftler rekrutieren könnten, da sie wenigstens den Vorteil hatten, die Arbeit der Legislative zu kennen, und daß auf diese Weise die Volksversammlung ihre personellen Ressourcen am besten nutzen konnte. Unglücklicherweise erwies sich diese Lösung als Fehlschlag. Das Komitee-Personal was so an seine Arbeit gewöhnt, daß es schwierig war, es in neue Methoden und Techniken einzuarbeiten, wie sie notwendig waren, um die unterschiedlichen und neuen Produkte des Forschungsdienstes zu erstellen. Wir erkannten, daß wir mit frischen Studienabgängern besser liefen, da sie zur neuen Einheit kamen und sich einer intensive Einarbeitung unterzogen. Die Volksversammlung bot jedoch kein entsprechend gutes Gehalt, um Wissenschaftler anzuheuern und zu halten. Wir mußten nicht nur die „zweitbesten" Wissenschaftler nehmen, nachdem sich die Universitäten die besten herausgepickt hatten, sondern liefen auch immer in Gefahr, sie an andere Forschungseinrichtungen, die ein besseres Gehalt boten, zu verlieren. Andererseits gelang es uns nicht, eine Truppe oder einen Stab zu bilden, in den die neuen Forscher eingegliedert werden konnten. Somit wurden wir mit einer weiteren schwierigen Situation innerhalb der Volksversammlung konfrontiert, nämlich mit der Tatsache, daß die neuen Wissenschaftler dasselbe Gehalt erhielten wie das Komiteepersonal , obwohl erstere eine längere Arbeitszeit hatten und extra Arbeit leisteten.

Wir versuchten, die knappen Gehälter durch Leistungszulagen und Bonuszahlungen zu kompensieren, aber auch dies funktionierte schlecht, da die Volksversammlung ein sehr rigides und knappes System für Zulagen hat. Wir verlassen uns jetzt auf nichtpekuniäre Anreize wie flexible Arbeitszeit, Priorität bei kostenlosen Englischkursen und anderen Fortbildungskursen, und Priorität beim Besuch von Seminaren und verschiedenen Konferenzen in Ägypten.

Die Informationstechnologie stellt für uns eine ziemliche Herausforderung dar. Die Volksversammlung richtete 1994 eine IT-Abteilung ein, aber die Kluft zwischen dem, was diese Abteilung einerseits tut und was die Benutzer andererseits brauchen, ist riesig. Wir konnten bisher noch keinen Nutzen aus den verschiedenen IT-Anwendungen auf dem wissenschaftlichen Sektor ziehen, und ebenso leiden wir an dem langsamen Fortschreiten des Automatisierungsprozesses in der Bibliothek. Wir halten es für die beste Lösung dieses Problems, selber IT-Experten im Personal von Forschungsdienst und Bibliothek zu haben, doch dies war bisher leider nicht durchführbar.

Unser Vorgehen bei der Einrichtung eines parlamentarischen Forschungsdienstes war vielfach experimenteller Natur und brachte ein gewissen Maß an Versuch und Irrtum mit sich. Wir vermarkteten unsere Dienste weder beim Personal der Volksversammlung noch bei ihren Mitgliedern in der richtigen Weise. Das Verhältnis zum Komiteepersonal ist immer noch nicht vollständig geklärt: den einen müssen wir auseinandersetzen, daß es unsere Aufgabe ist, zu helfen, und nicht, miteinander in Wettbewerb zu treten; den anderen müssen wir sagen, daß unsere Aufgabe nicht darin liegt, ihre Arbeit zu erledigen. Was die Mitglieder der Volksversammlung betrifft, so sind einigen von ihnen viele unserer Produkte gar nicht bekannt, während andere nicht einmal wissen, wo im Parlamentsgebäude der Forschungsdienst untergebracht ist.

Ein Gutteil unserer Zukunftsaussichten hängt von der Lösung dieser Probleme ab, aber ein großer Teil vertraut auch auf die Verbesserung der Demokratie in Ägypten. Die Gesetzgebung operiert nicht in einem Vakuum, sondern übt ihre Aufgabe innerhalb eines kulturellen, politischen und volkswirtschaftlichen Umfeldes aus. In diesem Umfeld sollte die Demokratie nicht in dem dichotomen Begriff „vorhanden" oder „nicht vorhanden" betrachtet werden, sondern eher als kontinuierliche Variable, die zu verschiedenen Zeiten verschiedene Stadien annehmen kann. Der Fortschritt auf dem schwierigen Weg des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft in Ägypten wird zweifellos eine direkte und starke Auswirkung auf den Forschungsdienst des ägyptischen Parlaments haben. Es erübrigt sich hier zu sagen, daß, wenn Demokratisierung - unter anderem - freie Informationsverteilung und freien Informationsfluß, stärkere politische Parteien, und eine stärkere Opposition im Parlament bedeutet, dann wird dies auch die Bedeutung von parlamentarischen Debatten auf der Basis einer objektiven Analyse der alternativen Gesichtspunkte erhöhen, da politische Entscheidungen der Regierung weitgehend vom Ausgang dieser Debatten beeinflußt sein werden.

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Latest Revision: July 7, 1999 Copyright © 1995-2000
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