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66th IFLA Council and General
Conference

Jerusalem, Israel, 13-18 August

 
 


Code Number: 039-120-G
Division Number: VI
Professional Group: Management and Marketing - Part II
Joint Meeting with: Information Technology and Social Sciences Libraries
Meeting Number: 110
Simultaneous Interpretation: Yes

Bibliotheken und Bibliothekare in Indien an der Schwelle zum 3. Jahrtausend: Herausforderungen und Risiken

Kalpana Dasgupta
Central Secretariat Library,
New Delhi, India


Zusammenfassung:

Das Informationszeitalter mit seinen elektronischen Möglichkeiten bringt zahlreiche Herausforderungen in allen Bereichen der Entwicklung mit sich, da Information die Grundlage für jede Entwicklung ist. Bibliotheken, Informationszentren und Bibliothekare müssen ihren Anteil an den Herausforderungen und Risiken tragen, um an der Entwicklung teilzunehmen. Um den Wandel herbeizuführen, braucht Indien eine Vision für das 3. Jahrtausend, und jeder Bereich muss die neuesten Entwicklungen der Informationstechnologie vollziehen. Das schließt den Funktionswandel von Bibliotheken ein: von der Bestandsorientierung zur Serviceorientierung; grundlegend sind Bestandserhaltung und Sicherung des Zugriffs; ebenso wie das Marketing von Informations- und Bibliotheksdiensten und die Weiterbildung der bibliothekarischen Fachkräfte, um in der neuen Umgebung zurechtzukommen und Managementtechniken zur Handhabung der neuen Ziele einzusetzen sowie die landesweite Politik für Bibliotheken und Informationszentren zu erarbeiten, die den Bedarf der verschiedenen Bereiche des indischen Bibliothekswesens berücksichtigt.


Einleitung

Die sozio-ökonomischen Bedingungen in Indien unterliegen einem starken Wandel, der Auswirkungen auf alle Bereiche der nationalen Entwicklung haben wird. Information als entscheidende Komponente der Gesamtentwicklung wird sicher alle denkbaren Veränderungen in allen Bereichen beeinflussen. Das 3. Jahrtausend wird Zeuge bedeutender Veränderungen in allen Lebensbereichen, und Information wird der Schlüssel zur Entwicklung.

Das Informationszeitalter bringt zahlreiche Herausforderungen und Risiken für den Schöpfer und den Verbreiter von Information mit sich. Auch Bibliotheken und Informationszentren stehen vor mannigfaltigen Herausforderungen. Die größte Herausforderung besteht im grundsätzlichen Wandel des Charakters zukünftiger Bibliotheken und Informationszentren.

Bibliotheken in Indien - das Szenario

Die Vielfalt des indischen Bibliothekswesens muss stets berücksichtigt werden, spricht man über eine Vision für das 3. Jahrtausend, denn die verschiedenen Bereiche des indischen Bibliothekswesens befinden sich auf einem unterschiedlichen Entwicklungsstand, so dass es keine einheitliche Lösung und keinen einheitlichen Ansatz für die Situation in Indien gibt. Das indische Bibliotheks- und Informationswesen gliedert sich in 5 große Bereiche: Nationalbibliotheken, Hochschulbibliotheken, Spezial- und wissenschaftliche Bibliotheken, staatliche Bibliotheken und öffentliche Bibliotheken. Obwohl die verschiedenen Bibliotheks- und Informationszentren für ihre jeweilige Klientel gleichermaßen wichtig sind, sind doch aufgrund verschiedener Faktoren die wissenschaftlichen und Spezialbibliotheken viel weiter entwickelt und moderner als die anderen Bereiche. Die indischen Bibliotheken und Bibliothekare stehen im 3. Jahrtausend vor mannigfaltigen Herausforderungen, deren wichtige der grundsätzliche Wandel des Charakters von Bibliotheken ist: Bibliotheken und Bibliothekar müssen sich verändern - von der Bestandsorientierung hin zur Serviceorientierung, vom Hüter der Bücher und Dokumente zum Informationsmanager und Verteiler von Information. Um diesen grundlegenden Wandel zu vollziehen, braucht Indien eine Vision für das 3. Jahrtausend. Indem sich die einzelnen Bereiche den großen Fragen, die die schrittweise entstehende Informationsgesellschaft aufwirft, stellen, werden sie sich weiterentwickeln. Die Informationstechnologie wird in diesem sich wandelnden Szenario die wichtigste Rolle spielen. Wenn sich Bibliotheken in den einzelnen Bereichen die verschiedenen Komponenten der Informationstechnologie zunutze machen wollen, müssen sie Folgendes sicherstellen:
  1. den Bedarf der Bibliothek und ihrer Benutzer abschätzen;
  2. den Funktionswandel der Bibliothek zu mehr Serviceorientierung gegenüber der Bestandsorientierung herbeiführen;
  3. Kooperative Mittelverwendung und Vernetzung der Bibliotheken;
  4. Bestandserhaltung und Sicherung des Zugriffs als unerlässliche bibliothekarische Dienstleistungen;
  5. Marketing für Informations- und Bibliotheksdienste;
  6. Weiterbildung des bibliothekarischen Fachpersonals, um in der neuen Arbeitswelt zurechtzukommen;
  7. Anwendung von Managementtechniken bei der Umsetzung der neuen Ziele.
Auf der Ebene der Entscheidungsträger bedarf es in Indien einer landesweiten Politik für Bibliotheken und Informationszentren in einer sich ändernden sozio-ökonomischen Umgebung, die die Anforderungen der verschiedenen Bereiche des Bibliothekswesens im Auge hat.

Im Folgenden wird zunächst der Zustand des Bibliotheks- und Informationswesens in Indien analysiert, bevor für jeden Bereich des Bibliothekswesens eine Vision für das 3. Jahrtausend entworfen wird.

Nationalbibliotheken

Die Nationalbibliotheken Indiens teilen sich in 2 Bibliothekstypen. Die erste Gruppe umfasst die National Library in Kalkutta und die öffentlichen Pflichtexemplarbibliotheken nach dem Pflichtexemplargesetz: die Delhi Public Library (DPL), die Connemara Public Library, Madras sowie die State Central Library in Bombay. Dies sind die Archivbibliotheken für das gedruckte kulturelle Erbe Indiens.

Die Pflichtexemplarbibliotheken sind ein sehr wichtiger Teil der indischen Nationalbibliotheken, da Indien ein sehr großes und vielsprachiges Land ist, das über ein reiches sprachliches Erbe verfügt. Die Bewahrung und Nutzung von Veröffentlichungen in den Landessprachen ist eine nationale Notwendigkeit. Dass jede der vier Regionen Indiens eine nationale Pflichtexemplarbibliothek hat, begründet sich hauptsächlich aus der räumlichen Ausdehnung und der verschiedenen Kulturen dieses Landes. Das 3. Jahrtausend muss zu einer Zusammenarbeit zwischen diesen vier Bibliotheken und der National Library an der Spitze führen. All diese Bibliotheken müssen so ausgebaut werden, dass sie Mittel für die Erwerbung und Bearbeitung der Materialien sowie die Verbreitung von Information zu Publikationen in verschiedenen Sprachen kooperativ nutzen. Dies ist nur zu erfüllen, wenn diese Bibliotheken in gleichem Umfang modernisiert werden und über kompatible Systeme verfügen, um die kooperative Mittelverwendung in Verbünden zu sichern. Da dies vom indischen Ministerium für Kultur (MfK) finanziert wird, sind die vom MfK festgelegten Standards in all den genannten Bibliotheken anzuwenden.

Die andere Gruppe umfasst die Nationalen Fachbibliotheken wie die National Science Library, die National Medical Library usw. Die National Library als größte Einzelbibliothek, Pflichtexemplar- und Archivbibliothek für alle Veröffentlichungen Indiens nimmt in beiden Bereichen eine herausragende Position ein. Im zwanzigsten Jahrhundert haben sich die Naionalbibliotheken unabhängig voneinader entwickelt. Obwohl die National Library Pflichtexemplar- und Archivbibliothek für alle Veröffentlichungen Indiens ist, kam ihre Führungsrolle innerhalb der Nationalbibliotheken praktisch nicht zum Tragen. Die National Science Library ist Teil des Indian National Scientific Documentation Centres, die National Medical Library wurde zur spezialisierten Nationalen Fachbibliothek für Medizin ausgebaut, das Indian Agricultural Research Institute, das National Social Science Documentation Centre (NASSDOC), das Defence Scientific Information and Documentation Cntre (DESIDOC) usw. waren in ihrem jeweiligen Fachgebiet quasi wie auf einer Insel tätig. Im 3. Jahrtausend besteht für den Bereich der Nationalbibliotheken die größte Anforderung darin, eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Bibliotheken auf nationalem Niveau und der National Library of India herbeizuführen.

Hochschulbibliotheken

Der Bereich Hochschulbibliotheken umfasst Schul-, College- und Hochschul-, sowie Universitätsbibliotheken. Eine Vision für das neue Millenium für die Universitätsbibliotheken sollte den Blick auf die Rolle der existierenden Universitätsbibliotheken bei der Bewältigung nationaler Probleme richten.

Da die meisten Universitätsbibliotheken in Indien sehr isoliert arbeiten, sind zunächst Informationen zusammenzutragen und zu vergleichen, bevor ein Konzept für die zukünftige Entwicklung erstellt wird.

  1. Aktuelle Daten zum Betrieb: Bestand, Anforderungen der Benutzer, Personalstand, Bibliothekseinrichtung, IT-Anwendungen, bibliothekarisches Fachpersonal usw.
  2. Es sollte eine Geschäftsstelle auf nationaler Ebene bestimmt werden, die diese Arbeit durchführt. Andererseits kann schon hier ein verteiltes Vorgehen sinnvoll sein. Danach würde jede Universitätsbibliothek ihre statistischen Daten selbst erheben und auswerten.
Die Zusammenarbeit auf allen Ebenen - von der lokalen bis zur globalen - wird zum Hauptaspekt des neuen Jahrtausends. Kooperation ist eine Grundvoraussetzung für Vernetzung und kooperative Mittelverwendung. Daher muss Folgendes sichergestellt werden, bevor ein Programm für die Vernetzung der Universitätsbibliotheken erstellt wird:
  1. Institutionelle Verpflichtung, die festgelegten Maßnahmen zu akzeptieren.
  2. Finanzierung und Unterstützung der Lösungsansätze zur kooperativen Mittelverwendung.
  3. Veränderung der Einstellungen des bibliothekarischen Personals, um zusätzliche Verantwortung in einer Umgebung der kooperativen Mittelverwendung zu übernehmen.
  4. Weiterbildung des Personals, um sich die Veränderungen bewusst machen und sie verstehen zu können.
Wenn diese Grundvoraussetzungen gegeben sind, können die Universitätsbibliotheken Programme zur kooperativen Mittelverwendung, für Schulungen, für die Weiterbildung im IT-Bereich, zur Beratung in Fragen der Retrokonversion und des Ausbaus der IT-Infrastruktur erarbeiten. All dies zusammengenommen wird die Grundlage sein, um ein Konzept für die künftige Entwicklung zu erstellen und eine Vision für die Universitätsbibliotheken des Landes zu entwerfen.

Schul- und Hochschulbibliotheken

Außer sehr anspruchsvollen Privatschulen verfügen die meisten Schulen derzeit nicht per se über eine Bibliothek. Dieser Bereich des Bibliothekswesens ist sehr vernachlässigt und bedarf dringender und dauerhafter Aufmerksamkeit. Was die Hochschulen angeht, verfügen zwar die meisten über eine Bibliothek, doch nur die sehr bekannten Hochschulen der einzelnen Bundesstaaten betreiben Bibliotheken von Bedeutung. D.h., Indien steht vor der Herausforderung, ein Zukunftsprogramm von Grund auf zu entwerfen, d.h. vom Bestandsaufbau bis zur Vernetzung mittels IT-Lösungen, und es benötigt einen umfassenden Entwurf, um diese beiden Bibliothekstypen in den nächsten Jahrhunderten weiterzuentwickeln. Die Regierungspolitik der freien Schulbildung für alle Bürger hat noch einen langen Weg vor sich, um ein durchführbares Programm für Schulbibliotheken auf nationaler Ebene zu erstellen.

Unter Federführung der University Grants Commission (UGC) wurde das Information and Library Networt (INFLIBNET) eingerichtet, das als interuniversitäre Geschäftsstelle für die Modernisierung von Bibliotheken fungieren und die Initiative bei der Umsetzung des Programmes für die künftige Entwicklung im Bereich der Hochschulbibliotheken ergreifen soll. Die Universitäts- und die ihnen angeschlossenen College-Bibliotheken sollten Teil dieser Entwicklung werden.

Fernstudium

Indien hat an der Indira Gandhi National Open University (IGNOU) ein gut organisiertes Fernstudiensystem entwickelt, um einen hohen Prozentsatz an gebildeten Staatsbürgern als Vortufe zur eigentlichen wissensbasierten Gesellschaft zu erreichen. Aufgrund der Verschiedenartigkeit und der räumlichen Entfernungen benötigt Indien ein gutes Fernstudiensystem für alle Bürger des Landes. Der Bibliotheksbereich trägt gleichermaßen Verantwortung, die Informationsbedürnisse der verschiedenen Schichten der indischen Gesellschaft zu bedienen, um so das Fernstudium auch lohnenswert zu machen. Die IGNOU bietet einige einzigartige IT-Dienste für Studenten an, aber solange die reichen Bestände an Seminarlektüre in den verschiedenen Bibliotheken Indiens der jüngeren Generation nicht zugänglich sind, wird das Ziel von Fernstudium zunichte gemacht. Obwohl die IGNOU sehr gute Materialsammlungen für ihre Studenten zusammenstellt, kann doch ohne den Zugang zu Hintergrundinformation und Büchern, die nur in Universitäts-, College- und Bibliotheken einzelner Institutionen zur Verfügung stehen, kein Fernstudienprogramm als gesicherte Informaion gelten. Aus diesem Grunde müssen die Bibliotheken dieses Bereiches miteinander in Verbindung treten, um auch die Bedürfnisse von Fernstudenten zu bedienen.

Öffentliche Bibliotheken

Das öffentliche Bibliothekswesen in Indien entwickelt sich seit über einem Jahrhundert, es stand ursprünglich unter der Schirmherrschaft der Aristokratie. Da die indische Gesellschaft hierarchisch strukturiert ist, blieb das Recht zu lernen noch bis ins 19. Jahrhundert lediglich einigen Privilegierten vorbehalten. Gelehrte und die liberale königliche Familie versuchten, die öffentlichen Bibliotheken, die im allgemeinen eine Gruppe gebildeter Personen bedienten, zu unterstützen. Das neue unabhängige Indien jedoch, das eine demokratische Gesellschaft aufbaute, erkannte den Bedarf an öffentlichen Bibliotheken, die für das Gemeinwohl tätig sind und eine solide Basis für einen demokratischen Aufbau bilden.

Ausschlaggebend für die Entwicklung des öffentlichen Bibliothekswesens wird die föderale Struktur des politischen Systems in Indien. Nach der indischen Verfassung liegt die Entwicklung der öffentlichen Bibliotheken in der Verantwortung des Staates. Alle Staaten haben daher den Auftrag, staatliche Bibliotheken auf allen Ebenen einzurichten. Wegen der Vielfalt der staatlichen Ebene hat das Ministerium für Kultur der Indischen Regierung die Raja Rammohun Roy Library Foundation (RRRLF) als zentrale Geschäftsstelle für die Entwicklung der öffentlichen Bibliotheken in Indien eingerichtet.

Obwohl eine Bibliotheksgesetzgebung die Grundvoraussetzung wäre, haben die Staaten Indiens bisher keine Bibliotheksgesetze erlassen, die den Staat im Bereich der öffentlichen Bibliotheken handlungsfähig machen. Daher erarbeitet die RRRLF ein Muster für ein Gesetz über öffentliche Bibliotheken, das alle Aspekte der Entwicklung der öffentlichen Bibliotheken in einer sich ändernden Umgebung erfasst. Darüber hinaus wurde den lokalen Verwaltungen in ländlichen Gebieten durch Zusätze zur Verfassung Verantwortung für die Entwicklung öffentlicher Bibliotheken übrtragen. Auch unternimmt die Zentralregierung wohlüberlegte Schritte, um die Verteilung von Information zu einer Hauptaufgabe in allen Bereichen, die mit ländlicher und sozialer Entwicklung zu tun haben, zu machen. Das 3. Jahrtausend ist durch einen drastischen Wandel gekennzeichnet, der die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Informationserzeugung (staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen), den Bibliotheken und dem Bereich der Informationsverteilung sicherstellen wird. Zum einen wurde der RRRLF die Verantwortung übertragen, mit der Hilfe des indischen Ministeriums für Kultur ein Netz öffentlicher Bibliotheken in allen Staaten aufzubauen, zum anderen stellt die Regierung Überlegungen für konzeptionelle Veränderungen im ländlichen Bereich an, indem sie ihre Aktivitäten mit dem Fortbildungsprogramm der National Literacy Mission (NLM) koordiniert. Die elektronische Infrastruktur wird so ausgebaut, dass es möglich sein wird, mittels der Infrastruktur des National Informatics Centre (NIC) verschiedene Informationsangebote in den Bibliotheken zu nutzen. D.h., es wird zukünftig ein Programm geben, wie Information mittels verschiedener Medien den meisten Indern sozusagen an die Haustür gebracht werden kann.

Die RRRLF kümmert sich auch um die Bereitstellung für Mittel für die Modernisierung der zentralen Staats- und Bezirksbibliotheken, d.h. für den Ausbau der Infrastruktur und die Weiterbildung des Personals. Das Ministerium für Kultur hat Standards für Software, Vernetzung, bibliographische Beschreibung fesfgelegt, um sowohl für den Ausbau der Infrastruktur als auch für die Retrokonversion von Bibliothekskatalogen die Standardisierung sicherzustellen.

Staatliche Bibliotheken

Die staatlichen Bibliotheken haben sich hauptsächlich in der britischen Zeit - zur Versorgung der Entscheidungsträger und der Verwaltung - entwickelt. Dies Bibliotheken waren immer bei den Ressorts angesiedelt. Die Bibliotheken bei den Ressorts und Ministerien sammelten hauptsächlich Amstsdruckschriften ihres jeweiligen Ressorts bzw. Ministeriums, ihre Erwerbungspolitik orientierte sich ausschließlich am Bedarf der Ministerialbürokratie. Lediglich die Central Secretariat Library (CSL) - als die größte Ministeriumsbibliothek - hatte ein breiteres Sammelspektrum. Neben den Bibliotheken bei den Ressorts und Ministerien hat die indische Regierung in den letzten Jahrhunderten des vorigen Jahrtausends Spezialbibliotheken bei staatlichen Stellen, wie dem Botanical Survey of India (BSI), dem Zoological Survey of India (ZSI), dem Archaeological Survey of India (ASI) usw. sowie bei der Asiatic Society of Bengal eingerichtet. Es liegt in der Natur dieser Einrichtungen, dass sie sich auf den Bedarf der jeweiligen Einrichtung, also einer eingeschränkten Benutzergruppe, konzentriert haben und isoliert voneinander arbeiten. Auch die Parlamentsbibliothek bedient den Informationsbedarf der gewählten Vertreter.

In den letzten 50 Jahren haben sich einige staatliche Bibliotheken zu gutgeführten Sammlungen entwickelt, die eine informierte Klientel bedienen. Seit das National Informatics Centre (NIC) sich um die staatlichen Informationsangebote kümmert, wurde die Anwendung von Informationstechnologie zum Schlüsselbegriff im staatlichen Sektor. Einige dieser wichtigen Bibliotheken wurden inzwischen modernisiert und arbeiten jetzt in der neuen Umgebung, was schrittweise zu einer angemessenen Verteilung von staatlicher Information im neuen Jahrtausend führen wird. Auch die Entscheidungsfindung unterliegt einem grundsätzlichen Wandel, forschungsorientierte Planung und Entscheidungsfindung haben sich im staatlichen Sektors durchgestzt. Auch die Bibliotheken und Bibliothekare müssen auf dieses Ziel hinarbeiten. Das Ministerium für Kultur, die zentrale Geschäftsstelle für Bibliotheksentwicklung in Indien, hat Schritte zur kooperativen Mittelverwendung und zur Vernetzung zwischen den Bibliotheken unter seiner Aufsicht unternommen. Dies schließt die National Library in Kalkutta, die Central Secretariat Library, die National Archives Library und die Bibliotheken bei'm Archaeological Survey of India und dem Anthropological Survey of India usw. mit ein. Es ist aber noch ein weiter Weg, bis die vom MfK festgelegten Standards diese Entwicklung vereinheitlichen und vereinfachen.

Spezialbibliotheken und wissenschaftliche Bibliotheken

Die Spezialbibliotheken und die Bibliotheken im Bereich Wissenschaft und Technik befinden sich auf einem weit besseren Stand der Entwicklung als die der anderen vier Bereiche. Eine ganze Reihe von ihnen nutzen Computer, E-Mail, CD-ROMs und online Dokumente. Bibliotheken und Informationszentren bei Forschungseinrichtungen wie dem Council of Scientific and Industrial Research (CSIR), der Defense Research and Development Organisation (DRDO), dem Indian Council of Agricultural Research (ICAR), dem Indian Council of Medical Research (ICMR), dem Department of Atomic Energy (DAE), der Indian Space and Research Organisation (ISRO), dem Department of Science & Technology (DST) und Institute des höheren Bildungswesens wie die Indian Institutes of Technology (IITs), das Indian Institute of Science (IIS), die Indian National Science Academy (INSA), die Indian Institutes of Management (IIMs) wurden modernisiert und erhielten die notwendigen Mittel für ihren Ausbau. Die meisten dieser Bibliotheken bieten nun seit mehr als 10 Jahren sowohl gedruckte als auch Online-Versionen ausländischer bibliographischer Datenbanken an. Seit vielen Jahren unternehmen die Bibliotheken Anstrengungen zum Aufbau maschinenlesbarer bibliographischer Datenbanken und der Anwendung von CD-ROMs usw..

Bibliotheksverbünde

Neben INFLIBNET ist in den letzten 10 Jahren eine Reihe von Verbünden entstanden. Dabei handelt es sich entweder um Verbünde von Städten oder spezielle fachliche Verbünde. Developing Libraries Network (DELNET), Calcutta Library Network (CALIBNET); Madras Library Network (MALIBNET), Management Library Network usw. sind wichtige und hilfreiche Projekte zur Vernetzung und kooperativen Mittelverwendung.

Die Zukunft der Bibliotheksentwicklung und die Herausforderungen im 3. Jahrtausend

In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Situation des Indischen Bibliothekswesens bis zum Ende des letzten Jahrtausends dargestellt. Die größte Herausforderung für Indien besteht nun darin, sich die gegenwärtige Situation vor Augen zu führen und Veränderungen herbeizuführen, um die Ausführungen aus dem World Information Report von 1997-98 hinfällig zu machen, wo steht:
  • "Die Masse der Bevölkerung hängt im Alltag nicht von Information ab.
  • Ein hoher Anteil der Bevölkerung kann Information nicht aufnehmen, insbesondere wenn sie in schriftlicher Form verbreitet wird.
  • Die große Masse der Bevölkerung verfügt nicht über die Mittel zum Zugang zu Information.
  • Die Menschen sind im allgemeinen nicht gewohnt oder nicht willens, für Information zu zahlen, oder sie können sie nicht bezahlen. Information taucht in der Liste ihrer Bedürfnisse nicht auf.
  • Die bestehende Wirtschaftsstruktur begünstigt nicht den Gebrauch von Information.
  • Die Länder haben nicht die nötige Kapaziät, um in die Entwicklung der Infrastruktur zu investieren."
Die Zukunft des indischen Bibliothekswesens liegt also darin, vom Elfenbeinturm der Versorgung einer gebildeten Minderheit herabzusteigen und ein System aufzubauen, das das Informationsbedürfnis der Mehrheit der indischen Bevölkerung bedient. Es muss also ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel stattfinden, um die Informationsbedürfnisse der Mehrheit der indischen Bevölkerung zu bewältigen, die derzeit nicht über die Mittel zum Zugang zu Informaion verfügt. Insbesondere das System der öffentlichen Bibliotheken muss verjüngt und umgestaltet werden, um mit der jetzigen Situation und Zukunftstrends zurechtzukommen.

Folgendes muss in allen Bibliothekstypen auf breiter Grundlage verändert werden:

  1. Bibliotheksumgebung
  2. Vereinzelte und isolierte Dienstleistungsangebote
  3. Organisationsstruktur
  4. Bibliotheksbestand
  5. informationsbasierte Infrastruktur
  6. Informations- und Wissensmanagement
Der erste Schritt in diese Richtung wurde in gewissenm Maße im Bericht der Arbeitsgruppe der Planning Commission on Libraries and Informatics für den 9. Fünfjahresplan 1997-2000 unternommen, der einige Anforderungen an das indische Bibliothekswesen aufzeigt. Zusätzlich zu den wichtigsten Empfehlungen zur Entwicklung der vernachlässigten Gebiete müssen alle Bibliotheken daran arbeiten, das Folgende zu erreichen:
  1. richtige, umsichtige und effiziente Planung und Nutzung der Ressourcen,
  2. Bibliothekarische Dienstleistungen müssen von guter Qualität und wettbewerbsfähig sein.
  3. Die Effizienz der Bibliotheken muss verbessert werden.
  4. Einführung von Verantwortlichkeiten für bibliothekarische Dienstleistungen;

Die Herausforderungen und Risiken für Bibliothekare und Informationsspezialisten im 3. Jahrtausend

Die größte Herausforderung für das indische Bibliothekswesen besteht darin, sowohl bei'm bibliothekarischen Personal als auch bei den Benutzern einen Wandel der Einstellungen herbeizuführen. Bibliotheken und Bibliothekare stehen auf der Prioritätenliste im Entscheidungsprozess noch ganz hinten, Bibliothekare werden kaum wahrgenommen. Nur wenn sich Bibliothekare und Bibliotheken dieser Herausforderung ernsthaft stellen, kann man die notwendigen Veränderungen im System selbst erwarten. Es ist an den Bibliothekaren, das Image der Bibliotheken zu verändern: vom Buchladen zum Informationsdienstleistungszentrums. Bibliothekare müssen zu aktiven Teilnehmern der wissensbasierten Wirtschaft werden. Die verschiedenen Bibliotheksbereiche müssen ihre potentielle Rolle bei den folgenden Anstrengungen des Landes übernehmen:
  1. Wandel der ökonomischen und sozialen Umgebung unter den Bedingungen des schnellen wettbewerbsorientierten globalen Marktes.
  2. Veränderte Konzepte für Wissensmanagement.
  3. Nutzerbezogener Informationsaustausch mittels IT und Kommunikationstechniken.
Bibliotheken müssen mit Inititativen, die sich in der Gesellschaft in eine veränderten IT-Umgebung herausbilden, umgehen können. Bibliotheken können es sich nicht länger leisten, institutionalisierte passive Beobachter zu sein. Es muss alles getan werden, um Information über große Entfernungen zu übertragen und ggf. dem Endnutzer nach Hause zu liefern.

Chancen und Risiken

Das neue Jahrtausend eröffnet nie dagewesene Möglichkeiten für Informationsfachleute. Arbeitgeber haben nicht mehr die herkömmlichen Ansprüche, sondern sie suchen flexible Arbeitskräfte, die - wenn erforderlich - verschiedene Rollen aufüllen und Verantwortlichkeiten wahrnehmen können. In diesem Zusammenhang muss Indien die folgenden Veränderungen vollziehen:
  1. Änderung der Curricula für die Ausbildung in Bibliotheks- und Informationswissenschaft.
    1. Entwicklung sowohl der herkömmlichen als auch neuer technischer Fertigkeiten.
    2. Entwicklung betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Fertigkeiten für die neue Dienstleistungsumgebung.
  2. Obwohl ein Bedarf an herkömmlichen Fertigkeiten im Bereich der Information besteht, werden nur jene eine Chance haben, die:
    1. verstehen, wie Information genutzt wird
    2. verstehen, wie interne Information produziert wird und die ihren Wert und Nutzen einschätzen können
    3. effektive Schnittstellen zwischen interner und externer Information zur Verfügung stellen können.
  3. Das herkömmliche Fachwissen muss genutzt und auf die neue Situation angewandt werden, die aktuellen Anforderungen sind zu analysieren und diese Fertigkeiten anzuwenden.
  4. Erzeugung von Inhalten, die den neuen Lerninhalten entprechen, mittels IT.
  5. Übernahme der Rolle von Informationsmanagern, indem die neue Technologie genutzt wird, um einen Zugang zu den reichen Beständen in Bibliotheken zu ermöglichen.
Die Infomationsfachleute von morgen sind eher die "Navigatoren des Wissens" als die Sammler von Information. Sie vermitteln zwischen den Nutzern von Information und den Anbietern von Information. Sie müssen Fertigkeiten in den Bereichen Betriebswirtschaft, Produktentwicklung und Marketing besitzen. Die neue Generation von Bibliothekaren in Indien muss sich diesen Herausforderungen und Risiken stellen, um in allen Bereichen der Informationswirtschaft Bestand zu haben. Austauschbarkeit und die Kompetenz, zwischen den Bereichen zu wechseln, wird zur größten Anforderung an Indische Bibliothekare.

Die landesweite Politik für das neue Jahrtausend

Soll das oben Gesagte Früchte tragen, muss eine landesweite Politik für Bibliotheken und Informationssysteme und -dienste entworfen werden, die der neuen Umgebung entspricht. Das MfK hat in den späten 1980ern die National Policy on Library and Information Systems (NAPLIS) entworfen, die eine gute Grundlage für den Entwurf einer neuen Politik darstellt, die zukünftige Gesichtspunkte des Bibliothekswesens insgesamt umfasst. Sie muss alle relevanten Fragen, Anforderungen, Gefahren und Chancen verdeutlichen, die im neuen Jahrtausend vorherzusehen sind.

Indien steht an der Schwelle eines grundlegenden Wandels, der nur möglich wird, wenn zur rechten Zeit ein modernes Informationssystem eingerichtet wird, das auf der richtigen Infrastruktur basiert und von entsprechend qualifiziertem Personal verwaltet wird.

Literaur

  1. 50 Years of Library and Information Services in India / edited by M.K. Jain and others. - Delhi: Shipra Publications, 1998
  2. Abell, Angela: Skills for the 21st Century: editorial. In: Journal of Librarianship and Information Science, 30(4) December 1998, 211-214
  3. Indian Library Association: National Seminar on Challenges before the University libraries in India in the 21st century, Vadodara. ILA, Delhi, 1999
  4. Indian Library Association: Library Vision 2010: Indian Libraries and Librarianship in retrospect and prospect: 45th ILA Conference, Hisar. ILA, Delhi, 1999
  5. World Information Report 1997/98. Paris: UNESCO, 1997

Kurzer Abriss

Frau Kalpana Dasgupta hat in Indien und den USA studiert. Sie verfügt hat an der Patna University in Indien den postgradualen Abschluss in Politikwissenschaften gemacht sowie den Master of Science in Bibliothekswissenschaften an der Syracuse University. Ihre Laufbahn als Bibliothekarin begann 1965, sie hat in den größten Bibliotheken Indiens gearbeitet. Sie begann ihren beruflichen Werdegang als Bibliotheksassistentin in einer Spezialbibliothek und stieg bis zur Leiterin der National Library of India auf. Derzeit leitet sie die Central Secretariat Library des Ministeriums für Kultur. Sie war Direktorin der Delhi Public Library, des größten öffentlichen Bibliothekssystems in Indien. Aufgrund ihrer 35jährigen Berufserfahrung ist sie als technische Beraterin der Regierung tätig. Das Büro des Premierministers lässt sich bei der Entwicklung seiner Bibliothek von ihr beraten. Wegen ihrer reichhaltigen Erfahrung in den Bereichen Management und technische Entwicklung in Bibliotheken arbeitete Frau Dasgupta in verschiedenen hochrangigen Ausschüssen der indischen Regierung mit. Sie hat mehr als 30 Aufsätze und diverse Bücher zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft veröffentlicht bzw. herausgegeben. Von 2000 bis 2002 amtiert sie als Präsidentin der Indian Library Association (ILA), des größten nationalen Verbandes im indischen Bibliothekswesen.

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Latest Revision: July 21, 2000 Copyright © 1995-2000
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