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   64th IFLA General Conference
   August 16 - August 21, 1998

 


Code Number: 016-100-G
Division Number: I.
Professional Group: Library and Research Services for Parliaments
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 100.
Simultaneous Interpretation:   No

Die Rolle der Parlamentsabgeordneten - Bei der Aufsicht der Bibliotheks- und Informationsdienstleistungen

Katalin Haraszti
Abteilung für Abgeordneteninformation
Parlamentsbibliothek
Budapest
Ungarn


Auszug:

Bei fast jedem Typ von Bibliotheken (Landes-, Universitäts- und Schulbibliotheken, Büchereien in Kulturhäusern, Privatbibliotheken und Bibliotheken anderen Typs) ist im allgemeinen eine Art von Aufsichtsrat oder Beratungsgremium anzutreffen. Auf den Veranstaltungen der letzten IFLA-Konferenz offenbarte sich ein starkes Interesse nach den Bibliotheksausschüssen von Parlamenten. Unsere vorliegende Studie faßt die Ergebnisse einzelner, auf diese Ausschüsse bezogener Erhebungen zusammen und stellt detailliert den zwischen 1867 und 1950 tätigen und seine Tätigkeit 1996 erneuernden Bibliotheksausschuß des Ungarischen Parlaments vor. Die Studie spiegelt die individuelle Meinung der Autorin wider.


Paper

EINFÜHRUNG

"The ultimate responsibility for the policy, efficiency and management of a library does not lie with the chief librarian. Whatever the type of library there can hardly be found a case in which the librarian is in complete control. Almost without exception the librarian is the servant of a higher authority; he may be very powerful, with immense freedom to carry out the day to day management of a library, yet he is always acting as a professional executive who exercises his skill and expertise as the employee of his governing body ...
It is the governing body of an institution which has the overall responsibility for its library provision, and this body is always the holder of the purse strings. Whichever body controls the financial resources given to the library has the ultimate authority over it. Therefore although librarians manage or control, they do not govern." (1)

Auf der Kopenhagener IFLA-Konferenz von 1997 zeigte sich in der Sektion "Parlamentsbibliotheken und Forschungsdienste" ein starkes Interesse nach der Rolle der Bibliotheksausschüsse bzw. Gremien mit ähnlicher Ausrichtung. Der Vortrag der Bibliotheksleiterin des dänischen Parlaments, Annalise Quistorff, beruhte auf den Daten einer unter Mitwirkung des ECPRD veröffentlichten Erhebung per Fragebogen. Die Erhebung wurde in den Parlamentsbibliotheken von Ost- und Mitteleuropa sowie Westeuropa und der USA durchgeführt. Als Ergebnis konnte ausgewiesen werden, wie und auf welche Art und Weise sich die Parlamentsabgeordneten an der Leitung ihrer Bibliothek beteiligen bzw. darin einbezogen werden bzw. ob sie die Bibliothekstätigkeit überhaupt verfolgen. In unsere Parlaments-bibliothek ist dieser Fragebogen nicht gelangt, was deshalb besonders bedauerlich ist, da die Bibliothek auf diesem Gebiet über reiche Erfahrungen verfügt und ihr Interesse an dieser Frage - im momentanen Entwicklungsabschnitt - besonders groß ist. Die Autorin ließ deshalb an dem im Folketing abgehaltenen Arbeitstag der erwähnten Sektion einen Ad-hoc-Fragebogen unter den bei weitem nicht nur in den Wirkungsbereich des ECPRD (2) gehörenden Teilnehmern herumgehen. Auf diesem Ad-hoc-Fragebogen erfragte sie, in welchen Ländern überhaupt ein Bibliotheksausschuß tätig ist und was für einen Status dieses Gremium besitzt (ständiger Ausschuß, Beratungsgremium usw.)

1. LIBRARY COMMITTEES AROUND THE WORLD

Die folgenden Diagramme stellen, auf den Schlußfolgerungen des Vortrages von A. Quistorff und der Auswertung des Ad-hoc-Fragebogens sowie auf den von der Parlamentsvollversammlung einzelner internationaler Organisationen später angeforderten Daten basierend, die internationale Sichtweise der Frage dar. Die Antworten verweisen auf die Lage von 57 Parlamenten von den 170, in denen eine Parlamentsbibliothek tätig ist. Über die Hälfte der Antworten stammt aus europäischen Ländern. Es muß auch gesehen werden, daß man bei einer Veranstaltung, die nicht im europäischen Umfeld veranstaltet wird, wahrscheinlich Daten mit anderer Zusammensetzung sammeln könnte und die "europäische Verzerrung" ausbleiben würde.

chart
1. Diagramm
Ständiger Ausschuß / Beratungsgremium / keinerlei Gremium oder Ausschuß

chart
2. Diagramm
Ständiger Ausschuß oder Beratungsgremium zusammen/ keinerlei Gremium oder Ausschuß

Was zeigen diese Diagramme? Die ersten zwei legen nachdrücklich dar, daß zahlreiche Parlamente einen Bibliotheksausschuß betreiben; von den eine Antwort gebenden 57 Parlamenten beschäftigt sich in 32 Fällen ein Ausschuß oder ein ähnliches Gremium, ausgehend von der Strategie der Bibliothek, mit der Kontrolle ihrer tagtäglichen Arbeit.
Das folgende Diagramm weist die Bibliotheksausschüsse der Parlamente in einer Aufteilung nach Erdteilen auf (3. Diagramm):

chart

Aus der dritten Abbildung geht auch hervor, daß fast die Hälfte der einen Bibliotheksausschuß oder ein Beratungsgremium betreibenden Parlamente in Europa zu finden ist. Kann daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die Gattung der Bibliotheksausschüsse eine europäische Spezialität ist?
Nein, da die Mehrzahl der auf das Vorhandensein von Gremien, die als ständiger Ausschuß tätig sind, mit "JA" antwortenden Parlamente (18) aus Australien, Asien und Nordamerika stammt (11). Nur in sieben europäischen Ländern ist der Bibliotheksausschuß als ständiger Ausschuß tätig. In der Parlamentsvollversammlung von fünfzehn europäischen nationalen Organisationen und einer europäischen internationalen Organisation nehmen die Abgeordneten nicht an der Leitung der Bibliothek teil. Wenn wir schließlich die Frage untersuchen, in den auf welchen Kontinenten tätigen Parlamenten es überhaupt keinen Bibliotheksausschuß gibt, erhalten wir das folgende Diagramm:

chart
(4. Diagramm):

Und aufgrund der in diesem Diagramm veranschaulichten Daten kann erklärt werden, daß der Bibliotheksausschuß keine europäische Spezialität ist.

Dort, wo im befragten Parlament ein Bibliotheksausschuß arbeitet, ist es als allgemeiner anzusehen, daß das Gremium im Rang eines ständigen Ausschusses steht. Der Status des "ständigen Ausschusses" bedeutet, daß der Ausschuß in erster Linie aus Abgeordneten besteht, obwohl von Fall zu Fall auch die leitenden Beamten der Parlamentsadministration delegiert werden können. Diese Ausschüsse haben regelmäßige Pflichten zu erfüllen und ihre Mitglieder können auch eine gesonderte Vergütung erhalten.

Ihre Tätigkeit läuft unter stabileren rechtlichen Rahmenbedingungen, als die der Beratungsgremien und sie haben das Recht, in Finanzfragen Vorlagen einzubringen.

Welches sind die Hauptfunktionen des Bibliotheksausschusses oder warum nehmen sie eine so wichtige Rolle im Leben einer Parlamentsbibliothek ein? In den analysierten Fällen spielen diese Ausschüsse eine Rolle:

Möglichkeiten der öffentlichen oder zu Forschungszwecken erfolgenden Inanspruchnahme der Bibliotheksdienstleistungen, die Arbeitszeit oder die Öffnungszeiten usw. zu fällen sind.

Auch dort, wo der Bibliotheksausschuß als Beratungsgremium (Verbindungs-, Überprüfungs- bzw. Entscheidungsvorbereitungsgrenium usw.) tätig ist, setzen sich ihre Mitglieder aus Parlaments-abgeordneten zusammen. Beim Vergleich mit den ständigen Ausschüssen kann als wichtigster Unter-schied die Kompetenz bestimmt werden. Die Beratungsgremien verfügen im allgemeinen nur über eine Überprüfungskompetenz (z.B. über das Bibliotheksbudget oder die bei den Informationsleistungen eingetretenen Änderungen) bzw. sind als Informationskanal zwischen den Fraktionen (Abgeordneten-gruppen der Parteien) und der Parlamentsadministration tätig. So, wie von den ständigen Ausschüs-sen, wird auch von diesen Gremien eine regelmäßige Arbeit erwartet, doch besitzen ihre Entschei-dungen keine verbindliche Gültigkeit. Die Mitglieder solcher Ausschüsse arbeiten als "Freiwillige" und im allgemeinen steht ihnen keine gesonderte Vergütung zu. In den bei den Erhebungen vorkommenden Parlamenten ist eine bedeutende Anzahl von Beratungsgremium anzutreffen.

Ein europäisches Beispiel ist sinnvollerweise unter den anderen hervorzuheben: und das ist Deutschland. Im Bundestag unterstützen sogar drei Ausschüsse die Arbeit der Bibliothek, während die Mitglieder des Bundesrates nicht an der Leitung ihrer Bibliothek beteiligt sind.

Die ersten zwei Diagramme zeigen auch, daß bei etwa einem Drittel der 57 eine Antwort gebenden Parlamente die Abgeordnete formell nicht an der Bibliotheksleitung beteiligt sind. Hier ist es zweckmäßig, zwei weitere europäische Fälle zu erwähnen, bei denen der jetzigen Situation eine Veränderung vorausging. Der norwegische Storting zeigte in seiner Antwort an, daß die Abgeordneten seit 1992 nicht an der Leitung der Bibliothek teilnehmen, da der frühere Überprüfungsausschuß aufgelöst wurde. Danach "wurde dem Leiter der Parlamentsbibliothek die Vorlageverantwortung für das Bibliotheksbudget und die Übernahme neuer finanzieller Verbindlichkeiten übertragen". Ebenso hat das schweizerische Parlament 1988 eine Veränderung durchgeführt, als der Wirkungskreis der früheren Dokumentationsausschuß auf das Aufsichtsrecht über das Bibliotheksbudget eingeengt und diese Rolle dem sog. "Administrationsausschuß" übertragen wurde. (3)

2. GESCHICHTE DES FRÜHEREN BIBLIOTHEKSAUSSCHUSSES
oder die Renaissance eines traditionellen Modells

Das traditionelle ungarische Modell baute auf das folgende Dreier-Axiom auf:
  1. Axiom: die Parlamentsbibliothek stand unter der direkten Aufsicht des Parlamentspräsidenten
  2. Axiom: der Bibliotheksausschuß verfügte über einen eigenen Kompetenzbereich
  3. Axiom: der Bibliotheksausschuß hielt regelmäßig Sitzungen ab.

Der erste Bibliotheksausschuß wurde vom Parlament im Jahre 1867 zu dem Zweck ins Leben gerufen, um die Bibliothek zu beaufsichtigen. Die Ausschußmitglieder wurden ursprünglich vom Parlaments-präsidenten delegiert, doch veränderte sich diese Situation ab 1875: bei der Eröffnung des neuen Parlaments wurden dessen Mitglieder frei von den anderen Abgeordneten gewählt. Die Anzahl der Mitglieder hat sich im Laufe der Zeit geändert und im optimalen Fall arbeiteten 5-11 Abgeordnete im Ausschuß. In den 30-er Jahren erhöhte sich die Zahl auf 33 Personen, während der Ausschuß nach dem 2. Weltkrieg bis zu seiner Auflösung 1950 mit 17 Mitgliedern tätig war. Der Bibliotheks-ausschuß besaß einen eigenen Vorsitzenden, der zuerst unter den Mitgliedern gewählt wurde, während später der Parlamentspräsident diesen Posten übernahm, was auch mit der Verstärkung des fachlichen Gewichts des Ausschusses erklärt werden kann.

Der Bibliotheksausschuß hatte ein Mitspracherecht in jeder bedeutenden, die Bibliothek berührenden Frage. Dazu gaben ihm die jeweilige Geschäftsordnung des Parlaments und die sonstigen einschlä-gigen Parlamentsdokumente eine Vollmacht. Die Befugnis des Ausschusses erstreckte sich auf die Schaffung des Statuts der Bibliothek, in dem die Aufgaben und Pflichten der Institution, die Kompe-tenz des Bibliotheksleiters und der Bibliotheksmitarbeiter und des weiteren die sonstigen Regelungen für den Betrieb (z.B. die auf den Verleih bezogenen Vorschriften) verankert wurden.

Der Bibliotheksausschuß konnte in Abhängigkeit von seinen jeweiligen Aufgaben Unterausschüsse bilden und solche waren die sich mit dem Statut oder der Beschaffung beschäftigenden Unterausschüsse. Mit der Bestandserweiterungspolitik beschäftigte man sich besonders und ein Beispiel dafür ist, daß die Parlamentsbibliothek, indem sie sich auf den internationalen Austausch stützte, bereits von 1878 an begann, die Dokumente ausländischer Parlamente zu sammeln. Ein anderes wichtiges Beispiel ist, daß das Recht der Beteiligung der Bibliothek an den Pflichtexemplaren in das Parlamentsgesetz aufgenommen wurde - was erstmals 1922 erfolgt ist.

Bei der Analyse der für diesen Zeitraum charakteristischen Mandate des Bibliotheksausschusses ist es interessant, festzustellen, daß sie bestimmte Ähnlichkeiten mit der jetzigen Praxis der einen Kammer des deutschen Parlaments (dem Bundestag) oder des türkischen Parlaments (Türkiye Bülük Millet Meclisi) aufweisen. Die Bibliotheksausschüsse der erwähnten Parlamente sind für die Ausgestaltung der Regeln der Bibliotheksnutzung und des Katalogsystems, für die Lagerung und den Verleih verantwortlich. Im Sinne der 1909 in Kraft getretenen Satzung des Bibliotheksausschusses des Parlaments war die Zustimmung des Ausschusses zur Schaffung jedes äußeren Dokumentenlagers notwendig, da diese Frage als ein die Schnelligkeit der Dienstleistungen riskierender Faktor behandelt wurde. Ebenso schuf der Bibliotheksausschuß die Vorschriften der Katalogisierung bzw. entschied über die Prinzipien und die Praxis des Dokumentenaustauschs, über die Zusammensetzung der Bibliotheksmitarbeiter nach der Qualifikation usw.

Wie arbeitete der Bibliotheksausschuß?

Der Bibliotheksausschuß hielt regelmäßig Sitzungen ab; die Sitzungen wurden zu Beginn monatlich, danach vierteljährlich und später dann mindestens einmal im Jahr abgehalten. Auf ihren Sitzungen verschaffte sich der Ausschuß einen Überblick über die Lage der Bibliothek und den Erfüllungsstand der Ad-hoc-Aufgaben und legte unter Berücksichtigung der auf die früheren Sitzungsperioden bezogenen zusammengefaßten Daten, die grundlegenden gesetzgeberischen Bibliotheksbedürfnisse und Informationsanforderungen den Finanzrahmen und die fachlichen Erwartungen für das folgende Jahr fest.

Der Ausschuß fertigte einen Bericht für das Parlament an, in dem er die Tätigkeit der Bibliothek und die Hauptkennziffern des Betriebs (Bestandsumfang, Ausgaben, Kauf, Tausch, Verleih usw.) darlegte. Dieser Bericht wurde zu Beginn zum Abschluß der einzelnen Sitzungsperioden und später dann jährlich vorgelegt. Diese sich wiederholenden Berichte haben mit Hinblick auf die im Kreis der Ausschußmitglieder pro Sitzungsperiode erfolgenden Veränderungen, auf den Eintritt eines neuen Parlamentspräsidenten bzw. Ausschußvorsitzenden und neuer Ausschußmitglieder und auch auf die in der Mitarbeitergarde der Bibliothek ablaufenden personellen Veränderungen einen besonderen Wert. Sie haben auch die die Tätigkeit des Ausschusses festhaltenden Protokolle aufgewertet, die zu nützlichen Mitteln der rückwirkenden Information wurden und als kollektives Gedächtnis dienen.

Der Bibliotheksausschuß legte der Plenartagung seinen Bericht vor, den das Parlament diskutierte, annahm, Änderungen vorschlug oder ablehnte. Sofern der eingebrachte Bericht angenommen und seine Beschlüsse verkündet wurden, traten diese in Kraft und ihre Durchführung wurde verbindlich.

Von 1920 an wurde die Vorbereitung der Sitzungen des Bibliotheksausschusses zur Aufgabe des Bibliotheksleiters, der als Sekretär des Ausschusses die früheren Berichte sammelte bzw. die auf die Zukunft bezogenen Pläne und die zu erörternden Fragen unterbreitete. Zu seinen Aufgaben gehörte die formelle Vorbereitung der Sitzungen, die mit der vorherigen Abstimmung eines Zeitpunktes mit dem Parlamentspräsidenten begann und später mit der Aussendung der Einladungen an die Ausschußmitglieder abgeschlossen wurde.

Charakteristische Tagesordnungspunkte

Die Tagesordnung der Sitzungen des Bibliotheksausschusses schlug der Bibliotheksleiter vor und schickte den Entwurf beizeiten an die Ausschußmitglieder. Die wiederkehrenden Punkte der Tages-ordnungen verweisen darauf, daß der Ausschuß die Tätigkeit der Bibliothek kontinuierlich kontrol-liert und bestätigt hat. Welches waren eigentlich diese wiederkehrenden Tagesordnungspunkte?

  1. Bericht des Bibliotheksleiters über die vorjährige Tätigkeit der Bibliothek
  2. Vorlage des Bibliotheksleiters für das nächste Haushaltsjahr
  3. Bericht des Bibliotheksleiters über die Bestellung von Tages- bzw. Wochenzeitungen und der Periodika für das nächste Jahr bzw. über die Ordnung der Lieferung
  4. Bericht des Bibliotheksleiters über die Ausleihungen und über die Lage der damit verbundenen Reklamationen
  5. Bericht des Bibliotheksleiters über den internationalen Austausch

Weitere charakteristische Tagesordnungspunkte der damaligen Ausschußsitzungen:

Sonstige interessante behandelte Themen:

Dem Bibliotheksleiter fiel auf den Ausschußsitzungen die Rolle des Vorlageneinbringers zu. Die aufgrund der Tagesordnung eingebrachten Vorschläge und Berichte wurden von den Ausschuß-mitgliedern erörtert, angenommen oder in einzelnen Fällen geändert oder abgelehnt. Jedes Aus-schußmitglied besaß das Recht zur Einbringung eigener Anträge und Vorschläge. Diese Vorschläge bezogen sich hauptsächlich auf die Anschaffung konkreter Dokumente oder auf die Einstellung ihres Abonnements und spiegelten im allgemeinen die persönlichen Informationsbedürfnisse des gegebenen Abgeordneten wider. Wenn der Parlamentspräsident den Vorschlag als von öffentlichem Interesse bewertete und annahm, stellte er ihn auch zur Abstimmung. Der durch mehrere Abgeordneten einge-brachte Vorschlag wurde sofort ein Entwicklungsplan - doch zum Glück besaß der Bibliotheksleiter vor den Abstimmungen ein Äußerungsrecht.

Über jede Sitzung wurde ein Protokoll angefertigt, das der Ausschußvorsitzende und der Sekretär signierten und die zu Beginn der Sitzung dazu gewählten Ausschußmitglieder beglaubigten. Diese beglaubigten Protokolle wurden zu wichtigen Quellen der Geschichte der Parlamentsbibliothek.

Zusammensetzung des Bibliotheksausschusses

Für die Nominierung zum Ausschußmitglied gab es keine formellen Regeln, trotzdem war es im allgemeinen kennzeichnend, daß die Ausschlußmitglieder eine literarische oder wissenschaftliche Laufbahn hinter sich wußten. Es stellte für einen Abgeordneten eine ernste kulturelle Anerkennung dar, wenn er zum Mitglied des Bibliotheksausschusses gewählt wurde. Diese Beurteilung veränderte sich in den 30-er Jahren, als die politische Zugehörigkeit und die Parteiinteressen eine immer größere Rolle bei der Wahl spielten. Die Zusammensetzung des Ausschusses spiegelte das politische Gewicht der im Parlament vertretenen Parteien wider und zugleich spielten die kulturellen und wissenschaft-lichen Verdienste eine sekundäre Rolle. Die folgenden Beispiele veranschaulichen die fachliche Zusammensetzung sowie Berufsvielfalt des Bibliotheksausschusses. Unter den Mitgliedern des Ausschusses können wir Rechtsanwälte, Philosophen, Volkswirte, Soziologen. Richter, Schriftsteller, Dichter, Journalisten, Archäologen, Historiker und Kunsthistoriker, Verleger, literarische Übersetzer, Ethnologen, Lehrer und Univer-sitätsprofessoren, Geographen, Bildhauer und Maler ebenso finden, wie Grundbesitzer und Pfarrer. Ein gemeinsames Merkmal ist für sie alle charakteristisch: allesamt waren sie Abgeordnete.

Was für eine Wirkung konnte ein Bibliotheksausschuß mit veränderlicher und mannigfaltiger Zusammensetzung auf die Parlamentsbibliothek ausüben?

a) Die Zusammensetzung der Leitung der Bibliothek hat sich im Laufe der Jahre weniger verändert, als die Mitgliedschaft des Bibliotheksausschusses. Die Dienstzeit der einzelnen Bibliotheksleiter überstieg die Zeitdauer der einzelnen Parlamentssessionen um einiges: zwei von ihnen standen länger, als 20 Jahre an der Spitze der Bibliothek und drei leiteten die Einrichtung jeweils mehr, als 10 Jahre lang. Vom Gesichtspunkt der kontinuierlichen Entwicklung der Bibliothek ist ihr Sachverstand als sehr wichtiger Faktor zu erwähnen, der die Anerkennung der Abgeordneten genoß. Als ständige Referenten des Ausschusses sicherten sie über ihre Aufgaben als Leiter die Kontinuität.

b) Die Regeln der Sitzungen des Bibliotheksausschusses nahmen ebenfalls eine wichtige Rolle ein. Die auf die Regelmäßigkeit der Sitzungen bezogenen Vorschriften garantierten eine kontinuierliche Arbeit des Ausschusses und sicherten einen Rahmen für die Kontrolle der Durchführung der früheren Ausschußbeschlüsse und für die Behandlung der besonders wichtigen Probleme.

c) Der Austausch der Ausschußmitglieder wurde stufenweise realisiert. Zu Beginn jeweils einer neuen Sitzungsperiode wurden nur einige neue Abgeordnete gewählt, die Mehrheit der Mitglieder setzte die frühere Ausschußarbeit fort. Wenn nur ein Drittel des früheren Ausschusses übrig blieb, diente das auch dann noch als Sicherheit für die Übergabe der Erfahrungen, der Sachkenntnis und der Orts-kenntnisse. Die längste Ausschußmitgliedschaft bekleidete ein solcher Abgeordneter, der (auch) in dieses Amt viermal neugewählt wurde.

d) Zwischen dem Parlamentspräsidenten und der Bibliothek gab es einen ständigen Kontakt. Die exekutive Macht des Parlamentspräsidenten (Ausschußvorsitzenden) ermöglichte die kontinuierliche Weiterführung ihrer Bibliothekstätigkeit auch zwischen zwei Ausschußsitzungen.

e) Das protokollarische Festhalten der Beschlüsse und der Tätigkeit des Bibliotheksausschusses und die Aufbewahrung der Protokolle spielten ebenso eine wichtige Rolle, wie die Archivierung der den Plenartagungen vorgelegten Jahresberichte des Ausschusses.

Die Teilnahme der Ausschußmitglieder war unterschiedlich, auf den Sitzungen erschienen sie im allgemeinen zu 50 %. Zu einzelnen Anlässen erschien fast jedes Mitglied, während es manchmal vorkam, daß auch die an die Eindrittel-Teilnahme gebundene Beschlußfähigkeit gefährdet war. (4)

Die momentane Lage

Die Parlamentsbibliothek versieht momentan eine doppelte Funktion, wie auch die finnische Parlamentsbibliothek: sie macht ihre Rechts- und Gesetzgebungs- sowie politikwissenschaftliche Sammlung auch der Öffentlichkeit zugänglich. Die Parlamentsbibliothek gehört seit 1991 von neuem zum Parlament und die Bibliotheksmitarbeiter sind seit 1997 Mitglieder des Beamtenkorps. Die Bibliothek ist unter direkter Aufsicht des Parlamentspräsidenten tätig.

Im Herbst 1996 bildete der Parlamentspräsident das Bibliotheksberatungsgremium. Die Mitglieder des Gremiums wurden von den einzelnen Fraktionen durch Delegierung bestimmt. Die unabhängigen Abgeordneten wurden nicht in die Arbeit des Ausschusses einbezogen und so wird ihre Interessen-vertretung indirekt realisiert. Das Amt des Vorsitzenden des Bibliotheksberatungsgremiums nimmt der Parlamentspräsident ein. Der Sekretär des achtköpfigen Gremiums ist der Leiter der Bibliothek. Die Berufszusammensetzung des Gremiums gestaltet sich wie folgt: Juristen-Rechtsanwälte (3), Historiker (2). Bibliothekar (1), Lehrer (1) und eine Mitglied mit technischem Abschluß (1). (5) An den Sitzungen nehmen der Geschäftsführer und der Leiter für Ökonomie und Computertechnik des Amtes sowie die Direktoren der Bibliothek regelmäßig teil. Dieses Gremium kann auf so feste Traditionen bauen, die die früheren Bibliotheksausschüsse des Parlaments begründet haben, obwohl es neben der Beratungs- und Anregungsrolle (noch) über keine Überprüfungskompetenz verfügt. Das Gremium hat seit seiner Neuauflage im Jahre 1996 die Jahrespläne und Berichte durchgesehen sowie zahlreiche bedeutende Beschlüsse gefaßt, so z.B. den Budgetrahmen der Bibliothek angehoben, einen auf die Versorgung der Bibliothek mit Pflichtexemplaren bezogenen Vorschlag eingebracht, eine Bibliotheks-gebühr eingeführt usw.

Das Parlament hat Mitte März ihre Tätigkeit zwischen 1994-98 infolge der für Mai angesetzten Wahlen abgeschlossen. Heute ist noch nicht klar zu erkennen, wie das Bibliotheksberatungsgremium in der Zukunft seiner Berufung nachkommen kann. Man kann nur hoffen, daß nach der Konstituie-rung des neuen Parlaments auch dieses Gremium neu gebildet wird, vielleicht auch unter bestimmteren rechtlichen Rahmenbedingungen, in Form eines (ständigen) Bibliotheksausschusses.

3. SCHLUSSBEMERKUNGEN

Warum benötigt eine Parlamentsbibliothek eigentlich einen Bibliotheksausschuß?

Deshalb, weil auch die Parlamentsbibliothek, als typische Non-Profit-Einrichtung Sponsoren braucht. Was bedeutend eigentlich das Sponsoring einer Einrichtung? Das Sponsoring ist einer der häufigsten und über eine magische Kraft verfügenden Ausdrücke unserer sich globalisierenden und marktorientierten Welt und bedeutet in Wahrheit nichts anderes, als die Unterstützung von jemandem zu einem bestimmten Zweck. Das Sponsoring kann zahlreiche Formen annehmen und so auch in den Tätigkeitsbereich des Bibliotheksausschusses fallen. Es ist sehr wichtig, das beide Seiten, die Biblio-thek und der Ausschuß bzw. das Gremium ihr eigenes Interesse an der Verbindung finden.
Die Notwendigkeit des Sponsoring wird auch durch die folgende Tatsache begründet: gegebenenfalls muß durch das Parlament eine neue Bibliotheksstrategie und die Einführung neuer Informations-leistungen angenommen werden, d.h. daß solche bedeutenden Probleme behandelt werden müssen, wie z.B. die Schaffung einer der Tätigkeit entsprechenden Budgetversorgung. Die Gestaltung eines Bibliotheksimages, die Pflege der Publikumskontakte bzw. die Bewahrung des Interesses der Nutzers sind weitere Aspekte für die Bedeutung des Sponsorings.

Im allgemeinen ist einzusehen, daß die Kompetenz des Bibliotheksausschusses eng mit der Zusam-mensetzung der Mitglieder verbunden ist. Mit dieser Kompetenz steht oder fällt die Schaffung und Aufrechterhaltung des Einvernehmens zwischen den Abgeordneten und der Parlamentsadministration.

Der Bibliotheksausschuß kann für die Bibliothek strategische Richtungen und Ziele festsetzen, die Bibliothekspolitik festlegen und über eine übergreifende Rolle verfügen. Im Interesse einer effektiven, schnellen, korrekten und vollständigen Informationsversorgung der Abgeordneten kann er daneben auch eine Unterstützung in praktischen Fragen geben, was z.B. der Erwerb spezieller Kopierrechte oder der Fragenkreis der speziellen Anwendung des Copyrights in der Parlamentsbibliothek sein kann. Der Bibliotheksausschuß kann die Bedingungen für die Pflichtexemplarversorgung der traditio-nell und elektronisch publizierten Dokumente schaffen. Die Bedeutung der Tätigkeit des Bibliotheks-ausschusses kann für die Bibliothek sehr positiv sein, da die Erfolge und die Ergebnisse bzw. der Nutzen zu einem gemeinsamen Erlebnis der Bibliothek und ihrer Nutzer werden können.

Nach der vorliegenden Analyse und Fallstudie bleiben noch viele offene Fragen, wie z.B.: "Wie arbeiten die Parlamentsbibliotheken, bei denen keinerlei Bibliotheksausschuß tätig ist?" oder "Wem soll der Bibliotheksleiter seinen Bericht einreichen? Wer wird ihn bewerten können?" oder "Über welche Erfahrungen verfügen die Parlamentsbibliotheken, bei denen dieses Überprüfungsgremium aufgelöst worden ist?". Und aus allen diese Gründen ist es wahrscheinlich, daß diese Studie nicht die letzte ist, die sich mit den Bibliotheksausschüssen beschäftigt.

References:

Bannenberg, Nick.Building Member Understanding and Support for the Parliamentary Library." IFLA Journal 21(1995):102-105.

Jonas, Karoly - Veredy Katalin. Az Orszaggyulesi Konyvtar tortenete 1870-1995. Budapest, Hungary; Magyar Orszaggyules, 1996. 492 p.

Quistorff, Annalise. The role of Members of Parliament in parliamentary library administration. Paper in IFLA '97, Folketing Day, 1997. 1-8.

Footnotes

  1. Stockham, K.A. The Government and Control of Libraries, 2nd edition 1975, Deutsch, London.

  2. Deutsch: Europäisches Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation

  3. Quistorff, Annalise. The roleof Members of Parliament in parliamentary library administration. Paper in IFLA ´97, Folketing Day, 1997 1-8

  4. Die momentane Stärke des Unterausschusses „Bibliothek und Computertechnik" des britischen Oberhauses beträgt 11 Personen, zur Beschlußfähigkeit reicht auch die Anwesenheit von 2 Personen aus!

  5. Es ist entschieden vorzuschlagen, daß unter die Bibliotheksausschußmitglieder auch Wirtschaftssachverständige und Volkswirte gelangen sollten. Der wichtigste Gesichtspunkt ist jedoch, daß die Bibliotheksangelegenheiten die aus den Regierungs- und Oppositionsparteien nominierten Mitglieder interessieren sollten.