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To Bangkok Conference programme

65th IFLA Council and General
Conference

Bangkok, Thailand,
August 20 - August 28, 1999


Code Number: 103-131-G
Division Number: IV
Professional Group: Cataloguing
Joint Meeting with: -
Meeting Number: 131
Simultaneous Interpretation:   No

Deutsche Katalogregeln auf dem Weg ins 21. Jahrhundert RAK auf dem Weg zu Internationalität und Online-Operabilität

Monika Münnich
Universitätsbibliothek
Heidelberg, Germany


Paper

1 Die deutsche Katalogisierungslandschaft

1.1 Regeln für die Formalerschließung

In den siebziger und achtziger Jahren wurden in fast allen wissenschaftlichen Bibliotheken die Preußischen Instruktionen durch die Regeln für die Alphabetische Katalogisierung abgelöst.

1.2 Regionale Bibliotheksverbünde

In den achtziger und frühen neunziger Jahren entstanden regionale Bibliotheksverbünde. Inzwischen katalogisieren fast alle Staats-, Landes- und Universitätsbibliotheken - vielfach einschießlich ihrer Instituts- und Seminarbibliotheken - kooperativ in einem der sechs regionalen Bibliotheksverbünde. Diese Verbünde beliefern ihre lokalen Systeme mit Updates.

1.3 Format

Das Format basiert in der Regel auf MAB (Maschinelles Austauschformat für Bibliotheken). Die meisten Regionalverbünde haben eine Schnittstelle zu US-MARC.

1.4 Datenlieferanten

Die meisten Verbünde beziehen Fremddaten, sowohl bibliographische wie Normdaten:

  • Bibliographische Daten:
    • die Deutsche Bibliothek ist Datenlieferant für deutsche Datensätze;
    • viele Verbünde beziehen Daten der Library of Congress und der British Library, einige von Casalini und anderen;
    • Zeitschriften werden kooperativ in der Zeitschriftendatenbank katalogisiert (bei der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz). Die Regionalverbünde werden mit diesen Daten beliefert.
  • Normdaten
    • Normdaten für Personennamen werden von der Deutschen Bibliothek zur Verfügung gestellt,
    • Körperschaftsnamen liefert die Gemeinsame Körperschaftsdatei (bei der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz).

1.5 Deutsche Regellandschaft

Die gegenwärtige Organisation für die Entwicklung und Pflege von Regeln für die Formalkatalogisierung sieht zwei Ebenen vor:

  • die Arbeitsebene: Arbeitsgruppe für Formalerschließung,
  • die Entscheidungsebene: Konferenz für Regelwerksfragen; sie ist die politische Instanz für Formal- und Sacherschließung.

Representanaten aller Regionalverbünde, der Deutschen Bibliothek, der Sektionen der Öffentlichen Bibliotheken beim DBV sowie Kollegen der Österreichischen und Deutschschweizerischen Verbünde sind Mitglieder in diesen Gruppen.

2 Mängel der gegenwärtigen Situation

Mit jährlich rückläufigen Haushaltsmitteln gerät die Katalogisierung unter massive Kritik:

Einige fordern:

  • vereinfachte Regeln für ein "lean cataloging", also um kosteneffizient zu katalogisieren,
  • alle kartenkatalogbezogenen Regeln abzuschaffen, wie z.B. Bestimmungen für Haupt- und Nebeneintragungen,
  • das Erfassen von Titeln und Titelelementen soll automatisch Sucheinstiege erzeugen, ohne daß diese erneut eingetragen werden müssen,
  • alle Namens- und Titelverweisungen abzuschaffen, die in Online-Katalogen keinen Sinn mehr machen ,
  • statt zusätzlicher Eintragungen eher das Indexieren zu verbessern,
  • vermehrt sekundäre Suchaspekte einzusetzen wie Sprache, Erscheinungsjahr, Dokument- und Materialarten, Materialbezeichnungen etc.

andere fordern:

  • AACR einzuführen, oder wenigstens die Hindernisse beim Datentausch mit AACR-Ländern zu entfernen, d.h. RAK und AACR zu harmonisieren,
  • und natürlich gleichzeitig
  • kompatibel zu bleiben mit der großen, inzwischen maschinenlesbar konvertierten Datenmenge.

So haben die Arbeitsgruppe und die Konferenz versucht, wenigstens drei Herren gleichzeitig zu dienen und von Fall zu Fall zu entscheiden,

  • Teile von AACR zu übernehmen, wenn dies praktikabel erscheint,
  • strukturelle Verbesserungen für besseres Online-Handling einzuführen, wenn AACR zu kartenorientiert erscheint, oder
  • eine stark formalisierte und damit einfachere Lösung vorzuziehen;
  • und wir hoffen, in den meisten Fällen allen Interessen zu dienen, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln.

Im Projekt REUSE (im Sinne von Nachnutzung von Daten - einem Projekt zwischen OCLC und der Niedersächsischen Staatsbibliothek - mit gutachterlicher Unterstützung von Barbara Tillett und mir) wurden die Unterschiede zwischen RAK und AACR untersucht. Die Zeit erlaubt mir nicht, genauer hierauf einzugehen, deshalb folgende URL des REUSE-Projekts:

http://www.oclc.org/oclc/cataloging/reuse_project/index.htm

3 RAK2 im Entstehen

Ich würde gerne die Richtung, die RAK2 eingeschlagen hat, anhand einiger Beispiele skizzieren:

3.1 Titel-Terminologie und Ansetzungen

Wir haben folgende Entscheidungen getroffen:

  • die AACR-Definition von Titeln zu übernehmen (in RAK schließt die Titeldefinition die Verfasserangabe ein) und
  • den Titel im allgemeinen nach Vorlage einzutragen (RAK hat bislang einen Ansetzungssachtitel gebildet).

3.2 Hierarchien

RAK hat bei mehrbändigen Werken unterschiedliche Strukturen: es werden Aufnahmen für das Werk als Ganzes und für jeden einzelnen Band gemacht, in bestimmten Fällen weitere für Abteilungssätze.

Die REUSE-Gruppe und insbesondere Bernhard Eversberg haben dieses Problem untersucht:

URL: Part/Whole Relationship

http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/reusep.htm

URL: REUSE+ (multivolume works)

http://www.oclc.org/oclc/cataloging/reuse_project/english_summary.htm

Wir werden hierarchische Strukturen nicht generell aufgeben, aber wir werden sie sicherlich reduzieren, z.B. beabsichtigen wir, bestimmte Abteilungssätze aufgeben und Bandaufführungen, die keine relevanten Informationen enthalten, wie z.B. Enzyklopädien.

Wir hoffen auch auf ein europäisches Interesse an Bandsätzen oder zumindest Bandangaben, die in eigenen Kategorien wiedergegeben werden (wie z.B. UK-MARC 248).

3.3 Verfasserdefinition

Was die Verfasserdefinition angeht, so werden wir höchstwahrscheinlich die AACR-Definition übernehmen, jedoch ohne die Verfasserschaft mit gleichen und unterschiedlichen Funktionen zu differenzieren (mixed and shared responisiblity). Bislang lag in RAK keine Verfasserschaft vor, wenn man Anteile von Autoren unterscheiden konnte - dies wird eine erhebliche Erweiterung des Verfasserbegriffs sein.

In den Fällen von Textbearbeitungen und -anpassungen werden wir die Bestimmungen vereinfachen. Bearbeiter und Kommentatoren werden gleichermaßen Verfasser sein, die Reihenfolge richtet sich nach der Vorlage.

3.4 Eintragungen unter Personen- und Körperschaftsnamen

Das Haupt- und Nebeneintragungsprinzip wird aufgegeben; es werden einteilige Eintragungen unter Personen- und Körperschaftsnamen, unter Titeln und Codes gemacht ohne die vom Zettelkatalog bekannten Präferenzen und Zuordnungen. Jedoch werden Verfasser und (sonstige) beteiligte Personen in unterschiedlichen Kategorien erfaßt, damit wir den Datentausch bedienen können und der wissenschaftlichen Zitierweise genügen.

Auf diese Weise wird es keine zweiteilige Nebeneintragungen mehr geben; Verfasser und Titel können getrennt recherchiert werden, über die bibliographische Beschreibung wird der Kontext hergestellt.

Da im wesentlichen die Verfasserdefiniton von AACR übernommen wird, dürften die Eintragungen unter Verfassern annähernd gleich sein.

Darüberhinaus werden wir fakultativ Eintragungen unter mehr als drei Autoren zulassen, soweit diese auf der Haupttitelseite genannt sind. Soweit ich weiß, wird auch im Joint Steering Committee of AACR Revision dieses Problem gegenwärtig diskutiert. Sollte diese Option jedoch nicht in die neuen AACR eingeführt werden, läßt sich für den Datentausch dieser Regelunterschied ohne Schwierigkeit und automatisch ausgleichen.

Die Vorschriften für Eintragungen unter Körperschaften sind jedoch etwas unterschiedlich. Wir haben formale Aspekte vorgezogen: ein Körperschaftsname wird eingetragen, wenn dieser im Titel genannt ist (ohne jedoch Objekt zu sein) oder wenn dieser zum Titel zu ergänzen ist - wie im Falle eines generellen Titels. Wir glauben jedoch, daß in den meisten Fällen die Eintragungen identisch sein werden oder zumindest beim Datentausch über Codes entsprechend konstruiert werden können, z.B. könnte ein Code für Kongresse in RAK2 die Haupteintragung für AACR herstellen.

3.5 Kodierung

Wir werden in größerem Umfang Codes einführen mit dem Ziel, einerseits bessere Retrievalergebnisse zu erzielen, andererseits dem Katalogisierer ein leichteres Handling zu bieten - und trotzdem eine ISBD-Ausgabe zu ermöglichen.

Wir werden kodieren:

  • Formaltitel wie Festschrift, Vertrag, Verfassung und Sammlung,
  • generelle und spezifische Materialbenennungen,
  • Dokumenttypen wie Briefwechsel, Gesetz, Homepage ...
  • Materialarten wie audiovisuelle und kartographisches Material, elektronische Ressourcen ...
  • Sprachen (und zwar ISO 639-2, i.e. den Alpha-3-Code),
  • Kongreßpublikationen:
    • und zwar einen Code für einen Kongreß oder eine Ausstellung und
    • normierte Eintragungen in verschiedenen Kategorien für:
      • den Kongreß- oder Ausstellungsort (der fakultativ mit der Körperschaftsdatei - GKD - verknüpft werden kann, um unter allen Verweisungsformen suchen zu können), sowie
      • Kongreßzählung und -ort.
Der Sprachencode, der Kongreßcode sowie die normierten Kongreßangaben werden die Ordnungshilfen bei Einheitstiteln und Kongreßpublikationen ersetzen.

3.6 Entitätsangleichung bei Namenssätzen

Dank der Arbeit von IFLA-Kollegen, insbesondere der von Barbara Tillett, ist es nicht mehr das Ziel, eine einheitliche Namensform weltweit für Personen oder Körperschaften zu erreichen. Man ist sich vielmehr inzwischen darüber einig, daß der Aufbau von Normdateien auf der Basis gleicher Entitäten leichter ist: d.h. einen gemeinsamen Normdatensatz zu nutzen mit verschiedenen nationalen Ansetzungsformen. Das Problem beim Tausch von Normdaten wird insofern fehlende Entitätsgleichheit sein.

Personennamen:

Bei den Personennamen waren die deutschen Katalogisierungsregeln weit von dem Standard der Entitätsgleichheit entfernt:

  • bis vor wenigen Jahren wurde bei uns der zweite Vorname abgekürzt; dies ist zwar inzwischen aufgegeben worden, aber die Normdateien sind noch nicht vollständig bereinigt; und
  • die Individualisierung von Personennamen ist immer noch nicht die Regel (so kann es einen Datensatz für unterschiedliche Personen geben).

Infolgedessen betrachten wir die Einführung der Individualisierung als die wesentliche Anpassung an internationalen Gebrauch.

Und ich freue mich bekanntzugeben, daß die Deutsche Bibliothek am 1. April ein Projekt begonnen hat: die KollegInnen der Personennamendatei laden Teile des Namensdatensatzes in die PND herunter, wenn immer sie im Library of Congress Name Authority File recherchieren. Dies dient dem langfristigen Ziel, beim Datentausch die nationalen Namensansetzungen automatisch auszutauschen. Der Südwestverbund nimmt seit 1. Juni an diesem Projekt teil, und hoffentlich werden weitere Verbünde mitmachen.

Sobald die Library of Congress in ihr neues System migriert ist, wird sie beginnen, deutsche Namensdatensätze in ihre Normdateien zu laden, wenn die amerikanischen KollegInnen in der PND recherchieren.

Körperschaftsnamen

Viele RAK-Körperschaften haben kein Äquivalent bei Entitäten von AACR-Körperschaften und umgekehrt. Im REUSE-Projekt sind diese Unterschiede untersucht worden:

http://www.oclc.org/oclc/cataloging/reuse_project/comparison.htm

In RAK werden z.B. nicht als Körperschaften angesetzt, d.h. es gibt keine Entitäten für:

  • Schiffe und Flugzeuge, Gebäude wie Kirchen und Schlösser,
  • Aktivitäten wie Expeditionen und Projekte,
  • Exekutiv- und Informationsorgane, und
  • Kongresse von abhaltenden Körperschaften.

Leider muß ich sagen, daß zur Zeit einige Mitglieder der Arbeitsgruppe Formalerschließung und ihre Institutionen eher dazu tendieren, Körperschaften zu reduzieren als neue einzuführen.

So hoffe ich auf Auswirkungen der IFLA Working Group Form and Structure of Corporate Headings und ihren neuen Ansatz, die Angleichung von Körperschaftsentitäten weltweit zu empfehlen.

4 Aussichten

Ich hoffe sehr, daß die in dieser Rede skizzierten Regelanpassungen von der Konferenz für Regelwerksfragen Ende dieses Jahres akzeptiert werden, und daß RAK2 in zwei Jahren vollendet sein wird.

RAK2 wird uns hoffentlich helfen, zu effizienter und kosteneffektiver Katalogisierung zu

kommen und gleichzeitig bessere Ergebnisse beim Austausch von bibliographischen und Normdaten zu erzielen.

Langfristig hoffen wir jedoch auf wirklich internationale Reglen - mit moderner Logik und einer Struktur, die in die Online-Welt paßt.

Bis dahin werden wir

  • sehr genau die Revision der AACR und die Implikationen der "Functional Requirements of Bibliographical Records" beobachten,
  • versuchen, eine europäische Interessengruppe aufzubauen,
  • und
  • einige von uns werden sich sicherlich an der IFLA-Arbeit beteiligen.

Monika Münnich, Universitätsbibliothek Heidelberg
Mitglied der IFLA Section on Cataloguing

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Latest Revision: July 7, 1999 Copyright © 1995-2000
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